meister b
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Gracia: Soll ich etwa lachen?
Die deutschen Organisatoren des Eurovision Song Contests haben ihre Kandidatin Gracia verteidigt: Das schlechte Abschneiden habe nichts mit dem Vorwurf der Chartmanipulation zu tun, sagte der NDR-Unterhaltungschef Jürgen Meier-Beer der Nachrichtenagentur dpa in Kiew. Gracia war beim gestrigen europäischen Gesangswettbewerb mit ihrem Titel "Run & Hide" auf dem letzten Platz gelandet.
N24
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"Der Titel ist nicht angekommen", sagte Meier-Beer. Die Kritik, die an Gracias Nominierung geübt worden war, sei in Kiew weitgehend unbekannt gewesen. |
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Brandes brauche sich als Komponist des Rocksongs nicht zu schämen, sagte Meier-Beer. Brandes hatte auch die Schweizer Band Vanilla Ninja betreut, die mit ihrem Song "Cool Vibes" den achten Platz belegten. |
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Der NDR-Unterhaltungschef glaubt deshalb, dass in Deutschland eine Kampagne gegen Gracia am Werk war: "Wie soll ein Land gewinnen, das nicht gewinnen will?" Gracia selbst habe sich nichts anmerken lassen, sagte er. Lediglich bei der Live-Schaltung der ARD war ihr die Enttäuschung anzumerken. "Soll ich etwa lachen?", fragte sie. |
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Bereits vor ihrem Auftritt hatte Gracia zugegeben, sehr nervös zu sein. "Die Generalprobe war die schlechteste Probe, denn ich habe alles vergessen", sagte sie. Zu diesem Zeitpunkt habe sie noch geglaubt, dass dies ein gutes Omen sei. |
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"Ihr habt das Lied gewählt. Und ich glaube, wir haben euch trotzdem so vertreten, dass wir stolz nach Hause fahren können", bemühte sich die 22-Jährige dann in der Live-Schaltung, ihre Niederlage zu verarbeiten. Aber bereits am Sonntagmorgen habe Gracia nach einer langen Nacht im Kiewer Euroclub wieder gut gelaunt ausgesehen, berichtet die Nachrichtenagentur dpa |
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Debakel mit Karabinerhaken
Erst Fußball-Europameister, jetzt auch zum ersten Mal Gewinner des Grand Prix d'Eurovision: Der Sieger heißt Griechenland. Deutschland unterliegt mit 230:4
Die Zeit
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Jede Niederlage bringe sie nach vorn, und sei es nur pure Erfahrung. Für die schwarzgefärbte Gracia Baur gehörte der Samstagabend nicht zu ihren schönsten. Dann eher der Abend davor, als sie mit ihrem Manager und angeblichen Freund David Brandes sowie ihrer Familie in einem Restaurant in Kiew feierte. |
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Vielleicht war sie zu sehr von sich und ihrer Pailetten-BH-Performance zum Song run and hide überzeugt. Vielleicht hoffte sie auch, dass die anderen 38 teilnehmenden Länder nichts von den Chartmanipulationsvorwürfen der letzten Wochen mitbekommen haben. Auf jeden Fall war Gracia am Samstag heiser und übermüdet, konnte nur halbwegs die Töne treffen und mit ihrer Rocknummer nur lächerliche vier Punkte und damit den letzten Platz des 50 Eurovision Song Contests ergattern. Da half auch ihr Glücksbringer aus schwarzen Karabinerhaken an der in Leder gehüllten Hüfte wenig. |
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Nach einem halben Jahrhundert Grandprix-Geschichte muss nicht nur Deutschland einsehen, dass es den Anschluss im europäischen Musikmarkt verpasst hat. Auch Frankreich und Großbritannien, die nicht nur geldgebende, sondern auch stets favorisierte Teilnehmerländer sind, bildeten gestern die Schlusslichter der Tabelle. Denn in Europa wird getrommelt, was die Oma auf der Bühne hergibt (Moldawien), synchron getanzt, die Mähne und die Hüfte geschwungen (Griechenland) und folkloristische und mitreißende Musik gemacht. Immer mehr osteuropäische Länder gehen an den Start und deswegen interessiert kaum jemanden R'n'B oder lahmer Pop. |
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Die mitternächtliche Punktevergabe gehörte wie immer zum aufregendsten Part der Schlagershow. So hatte zunächst der andere Beitrag Brandes' - die Band Vanilla Ninja - die Nase vorn. in weiße Elviskostümchen gekleidet sammelten die für die Schweiz angetretenen Mädels aus Estland einhundert Punkte für ihre rockige Nummer; offenbar durch die Sympathie der osteuropäischen Nachbarländer. |
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Gracias unterdurchschnittlicher Auftritt wurde lediglich von Moldawien und Monaco mit jeweils zwei Punkten belohnt. Gracia mag Recht haben, dass sie alles gegeben hat. Doch reichen viel Haut, ein auffälliges Ketten-Leder-Outfit und ein wenig eingängiger Poprocksong offenbar nicht mehr. Werden viele Grandprix-Teilnehmer heute für ihre Professionalität und ihre musikalische Reife gelobt, so fehlte Gracia und folglich auch Deutschland die nötige Qualität. |
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Falls diese Musikveranstaltung in den nächsten Jahren immer mehr auf klingeltonregierte Charts hinausläuft und vorhersehbare Punktesympathievergaben weiter das neue und alte Europa trennen, so sollten die Veranstalter des Grand Prix über eine neue Form des Wettkampfes nachdenken. Fair wäre doch beispielsweise ein Contest um die schönste dargebotene Nationalhymne. Gern auch mit reichlich Trommeln, viel Haut und Karabinerhaken als Glücksbringer. |
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22.05.2005 17:35 |
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meister b
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noch ein news-update, zum weiteren schreibe ich morgen weiter:
Kommentar: Austauschbare Sieger
Was der Songcontest abbildet, ist, was niveauloses Formatradio unkritischen Hörern als Pop verkauft
Der Standard
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Auf den ersten Blick hat es etwas Verstörendes: Pop-Exoten wie Griechenland, Rumänien oder Moldawien taumeln im Siegesjubel, während große Pop-Nationen mit entsprechenden Verdiensten wie England, Frankreich oder Deutschland das gedemütigte Schlusslicht des 50. Eurovision Song Contest bilden. Aber: alles halb so schlimm. Denn die richtige Musik spielt woanders. Was der Songcontest abbildet, ist, was niveauloses Formatradio unkritischen Hörern als Pop verkauft. Eine billig produzierte und auf raschen Profit hin ausgerichtete Musikware, die nicht mehr will und kann, als eine Nachfrage zu befriedigen, die sie selbst hergestellt hat: das Bedürfnis nach einer kantenlosen Berieselungsmusik für den Alltag, am Reißbrett von Typen wie Dieter Bohlen entworfen, vorgetragen von austauschbaren Gesichtern und Namen. |
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Deshalb zählen die Errungenschaften der Beatles in so einem Wettbewerb wenig. Dass die deutsche Gruppe Kraftwerk Techno miterfunden hat, ist hier ebenso unwichtig, wie es die legendären Saubarteleien eines Serge Gainsbourg sind. Länder mit ernst zu nehmender Pop-Tradition schätzen den Songcontest generell als weniger bedeutsam ein als neu an die Pop-Welt angeschlossene Staaten. Etwa jene Länder, die früher hinter dem Eisernen Vorhang von dieser dort als mindestens systemzersetzend eingeschätzten Kultur abgeschnitten waren. |
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Diese Staaten sind es, die heute am meisten Euphorie in das künstlerisch wertlose Wettsingen einbringen. Während der Songcontest in Westeuropa vielfach als karriereschädigend eingeschätzt wird, besitzt schon die Teilnahme für eine moldawische Band eine ungleich höhere Wertigkeit. Das mag zynisch und westlich arrogant klingen. Doch genau so ist das Business, in das all diese Teilnehmer so dringend wollen. |
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der letzte absatz hat es in sich. meier beer behauptet ja heute in der presse standhaft, er hätte hochkarätige kandidaten an der hand, die auch am esc teilnehmen würden, aber nur wenn sie direkt nominiert werden. es soll also keine vorausscheidung geben. mit namen rückt er nicht raus. aber wer soll das sein? wenn diejenigen sich nichtmal einer deutschen vorausscheidung stellen wollen, glaubt man denn ein scheitern beim esc ist weniger schlimm?
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22.05.2005 22:39 |
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meister b
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Dabei seit: 29.07.2001
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jetzt noch was längeres, auszüge hier:
Die Blamage von Kiew
Gruft-Rock, Skandale und zwei Punkte aus Moldawien: Warum Deutschland beim Eurovision Song Contest den letzten Platz belegte
Welt
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Als ob der Abend nicht schon schlimm genug gewesen wäre. Aber das mit Monaco tut dann echt weh. Kein Wunder, daß Deutschland zwei Punkte aus dem Fürstentum bekommen habe, erklärt Bundes-Schlagerexperte Jan Feddersen mit Leichenbittermiene den Menschen vor den Bildschirmen, es müsse wohl am Namen gelegen haben. Im Klartext sollte das bedeuten: Wenn der Monegasse Gracia hört, denkt er sofort an Grace Kelly und an Rainier, wird ganz nostalgisch und greift gleich, ohne sich von der Musik sonderlich ablenken zu lassen, zum Telefon, um für ein Lied zu stimmen, das von ganz Europa vollkommen ignoriert wird. |
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Ganz Europa? Es stimmt nicht ganz. Auch aus Moldawien wurden Deutschland zwei Punkte überwiesen. Wer jedoch alte Mütterlein dazu nötigt, mit halbnackten Ska-Punks auf der Bühne zu stehen, wie es beim moldawischen Beitrag "Boomka Bate Toba" der Fall war, dem traut man offensichtlich kein sonderliches Urteilsvermögen zu. Weshalb die Gründe für den moldawischen Beistand unerörtert bleiben bei der Krisensitzung, in die sich die eigentlich als "Grand Prix Party" angekündigte Veranstaltung auf Hamburgs Reeperbahn unversehens verwandelt hat. Deutschland ist letzter geworden beim Eurovision Song Contest. Düster könnte die Stimmung jetzt sein, genauso tiefschwarz wie die Klamotten und Haare, mit denen die Kandidatin Gracia Baur in Kiew Schiffbruch erlitten hat. Feddersen spricht in diesem Zusammenhang gar von einer "Buß- und Bettag-Wirkung", die das lebensfrohe Europa einfach nicht nachvollziehen konnte. |
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Spanien mit einem trüben Aufguß des "Ketchup"-Songs, Großbritannien mit einem arabesken Beyoncé-Knowles-Abklatsch und Frankreich mit einem kryptoorientalischen Nichts teilen sich mit Deutschlands Jodel-Gruft-Rock die letzten vier Plätze im Teilnehmerfeld aus 24 Nationen. Recht so. Für alle, die es noch nicht begriffen haben sollten: Beim Eurovision Song Contest handelt es sich nun mal um eine große Feier des Randständigen. |
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In Kiew gab es dafür wunderbare Beispiele. Chiara aus Malta, eine recht beleibte Dame in roter Paillettenverpackung, interpretierte ganz allein eine von ihr selbst ersonnene Pop-Ballade. Andere Länder mit großen Beraterstäben hätten ihr wahrscheinlich noch eine Batterie von anorektischen Hupfdohlen mit auf die Bühne gegeben. Aber nix da. Der Wonneproppen sang einsam und keck sein "Angel" wie ein Engel in Montserrat-Caballé-Gestalt - und erreichte den zweiten Platz. |
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Bei der Endabrechnung erwies sich die europäische Top ten als Ansammlung lauter hübscher Wunderlichkeiten: mit absurdem Glam-Rock aus Norwegen, Reggae aus Dänemark oder Balkan-Boygroup-Ringelpietz im 7/4-Takt aus Serbien-Montenegro. Ein großartiger Kontinent. Allein Griechenlands Sieg, der erste überhaupt für Europas Brutstätte, fiel zu deutlich aus. Helena Paparizous Dancefloor-Sirtaki hatte allerdings auch alles, was man für den Gewinn des Eurovision Song Contest derzeit wohl braucht - eine Metallstange, mit der man herrisch fuchteln kann, Männer zum Draufrumtanzen, irgendwas Orientalisches in der Melodie. Eigentlich fehlte nur ein Müllfaß, auf dem Paparizou hätte herumtrommeln können. Dann wäre der hellenische Gewinnertitel die ultimative Schnittmenge aus allen populären Beiträgen gewesen. |
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Keine Frage: Deutschland liebt den Eurovision Song Contest. Daß der nicht zurückliebt - ganz gleich. Die tragischen Liebesgeschichten sind eben die schönsten. |
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22.05.2005 22:46 |
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meister b
Administrator
Dabei seit: 29.07.2001
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Vier Punkte: Run and Hide!
Der "Eurovision Song Contest"
Frankfurter Rundschau
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Der Wettbewerb bietet vielmehr eine schier unerschöpfliche Quelle des Deutelns: Ist die Konkurrenz mit den diesmal 39 teilnehmenden Ländern nicht das Spiegelbild des wachsenden Europas? Ist nicht das miserable Abschneiden Deutschland weiterer Beweis seiner Reformunfähigkeit? Wird nicht wieder das lähmende Schwadronieren anheben wie schon bei Hartz IV oder dem Feinstaub? War es nicht überhaupt Old Europe, über den sich da der Schleier des Scheiterns legte, wenn Staaten wie Frankreich, England, Irland oder eben Deutschland schlagerpolitisch keine Rolle mehr spielen, während Schwellenländer wie Rumänien, Lettland oder Moldavien ganz vorne landeten? |
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Musikalisch gab es zunächst zwei Gewinner: Zum einen der leichtgängige Ethnosong, der es versteht, publikums- und marketinggerecht die Balance zwischen gefordertem Lokalkolorit und globalem Geschmack zu halten. Zum anderen hat die Form der Ballade erneut gezeigt, dass es einen Weg aus dem Alltagseinerlei gibt - wenn sie gut gesungen wird. |
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Generell gibt es viel Positives zu vermelden: Etwa dass die nationalen Beiträge, die allein durch massive Beeinflussung ihren Weg nach Kiew gefunden hatten wie der aus Mazedonien oder Russland, dafür keineswegs belohnt wurden. Auch hat sich das 100- Millionen-Publikum nicht vom nachrevolutionären Pathos des Gastgeberlandes einlullen lassen und eben nicht die Revolutions-Rap-Hymne Zusammen sind wir stark einfach durchgewunken. Schön auch, dass die Körperfülle der maltesischen Sängerin Chiara keine Rolle spielte in einem Wettbewerb, der bisweilen wie ein Eurosilikon-Contest wirkte, sondern ihr stimmliches Vermögen angemessen bewertet wurde. |
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Gehalten haben zwar traditionelle Verbindungen der Balkanländer wie auch der baltischen und der skandinavischen Staaten, sich gegenseitig die Punkte zuzuschieben, doch zeigten sich interessante Risse. Dass die Stimmbürger der Türkei dem angeblich ungeliebten Nachbarn Griechenland erstmalig die Höchstpunktzahl zuwiesen, das hat den Schlagerfreund im Glauben an die Musik als eine universelle Sprache zu Recht gerührt. Griechenland aber darf sich nach Elena Paparizous Sieg mit My Number One, dem erfolgreichen Ausrichten der Olympischen Spiele und dem Titel des Fußballeuropameisters weiterhin auf der Siegerstraße Europas wähnen. |
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22.05.2005 22:49 |
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la diva
Dabei seit: 17.07.2001
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24.05.2005 15:58 |
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