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wassermann11
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28.09.2011, 12:18 Uhr | Ein Kommentar von Hermann Otto Solms

Solon mahnt Croesus


Die aktuelle Staatsschuldenkrise in Europa ist im Kern eine Vertrauenskrise - es bröckelt das Vertrauen in die finanzpolitische Handlungsfähigkeit einiger Staaten, letztlich in ihre Wettbewerbsfähigkeit.

Der Stabilitäts- und Wachstumspakt, der eine übermäßige Verschuldung der Staaten bereits im Vorfeld bekämpfen sollte, wurde auch unter deutscher Mitwirkung bereits 2003 entscheidend geschwächt. Derart aufgeweicht war er später dem Druck der Finanzkrise nicht gewachsen. Deshalb musste die ex-ante-Sicherung des Stabilitätspaktes mit dem ex-post-Konzept des Rettungsschirms ergänzt werden.

Jetzt müssen wir Europäer die Gelegenheit nutzen, im Schutz dieses solidarischen Schirmes, den beschädigten Stabilitätspakt zu reparieren und zu härten. Der Rettungsschirm führt nur dann zum Erfolg, wenn gleichzeitig in den betroffenen Ländern die tiefer liegenden Probleme mangelnder Wettbewerbsfähigkeit und daher fehlender Kreditwürdigkeit gelöst werden. Wir haben die Chance, die notwendigen, tief eingreifenden strukturellen Reformen in einem institutionell abgesicherten Rahmen auszulösen und abzusichern. Die Hilfe durch den Rettungsschirm muss deshalb zwingend mit Konditionen untermauert sein, die die richtigen ökonomischen Anreize setzen. Ein solches Vorgehen wird die Währungsunion als Ganzes stärken.


„Rate nicht das Angenehmste, sondern das Beste den Bürgern“

Der athenische Staatsmann und einer der Sieben Weisen Griechenlands, Solon, mahnte bereits vor etwa 2590 Jahren: "Rate nicht das Angenehmste, sondern das Beste den Bürgern." Auf das vermeintlich Angenehme aber zielen diejenigen, die aus der unbestrittenen Notwendigkeit einer stärkeren wirtschaftlichen Konvergenz Transferunion und Eurobonds ableiten. Es ist doch paradox, eine Staatsschuldenkrise zu bekämpfen, indem man das Schuldenmachen erleichtert. Beide Vorschläge sind unrealistisch und taugen nichts. Vor allem aber kranken sie daran, dass sie demokratische und ökonomische Grundprinzipien außer Kraft setzen: Entscheidungskompetenz und Haftung gehören in eine Hand. Wenn die eine Ebene entscheidet aber die andere für die Folgen geradestehen muss, ist der Anreiz groß, Lasten abzuwälzen. Die Misswirtschaft wäre vorprogrammiert.


Schillernde Forderungen sind nur leere Worthülsen

Mehr Europa bedeutet nicht automatisch ein besseres Europa. Selbst wenn man die politische Union will, muss man zuvor erläutern, was genau darunter zu verstehen ist. Welche Aufgabe soll auf welcher Ebene entschieden und verantwortet werden? Wie stellen wir sicher, dass jede Ebene ausreichend demokratisch legitimiert ist? Wer weitere Hoheitsrechte nach Europa übertragen will, muss wissen, dass dafür die europäischen Verträge geändert werden müssen. Das ist langwierig und würde vermutlich viele Jahre beanspruchen Je nachdem, wie weit die neue Aufgabenzuweisung gehen soll, kann sie zudem eine Verfassungsänderung in Deutschland erfordern. Wird das Demokratieprinzip unserer Verfassung ausgehöhlt, brauchen wir sogar eine neue Verfassung - ein Prozess mit ungewissem Ausgang. Aktuell hilft uns das nicht weiter. Die schillernden Forderungen nach der Politischen Union, einem Europäischen Bundesstaat oder gar den Vereinigten Staaten von Europa entpuppen sich als leere Worthülsen.

Dem altgriechischen Staatsmann Solon gelang es übrigens vor etwa 2590 Jahren mit Hilfe der "Seisachtheia", das bedeutet wörtlich übersetzt: "Lastenabschüttelung", der Not und Verarmung im damaligen Athen Herr zu werden. Wie die Entscheidungen im heutigen Athen ausfallen werden, müssen die Griechen selbst entscheiden. Dabei sollten sie sich an Solon ein Beispiel nehmen.


Hermann Otto Solms ist FDP-Politiker und studierte Wirtschaftswissenschaften und Landwirtschaft an der Universität Frankfurt. Er promovierte später zum Dr. agr. Seit 1980 ist er Mitglied des Bundestages und war in zahlreichen Funktionen tätig - unter anderem als FDP-Bundesschatzmeister, Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion und als Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft und Technologie. Seit 1998 ist er Vizepräsident des Deutschen Bundestages.




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28.09.2011 12:59 Homepage von wassermann11 Beiträge von wassermann11 suchen
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Rattenschwanz der Autokratie: Kalte Krieger Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen       IP Information Zum Anfang der Seite springen

29.09.2011, 11:15 Uhr | Ein Kommentar von Shashank Joshi

Diktatorendomino in der arabischen Welt


Der Krieg in Libyen stagnierte, al-Kaida überschwemmte das südliche Jemen, Bahrains Demonstranten wurden zerquetscht und Ägyptens neue Militärmacht würgte die revolutionäre Energie des Tahrir-Platzes ab. Und plötzlich fiel Tripolis. Der in der arabischen Welt am längsten herrschende Diktator wurde aus seinen farbenprächtigen Palästen gejagt und dazu verbannt, flüchtend durch die Wüsten Südlibyens zu tigern. Mit einem Mal gibt es wieder Hoffnung auf ein demokratisches Band entlang des Maghreb, von Tunis bis Kairo.
Vielfalt statt Einfalt

Doch der momentane Erfolg könnte leicht zum langfristigen Misserfolg werden. Libyen war ein wohlhabendes und stabiles Land, das jetzt von Pistolen und neuen Eliten überschwemmt wird. Die siegreichen Technokraten müssen sich als Geburtshelfer der jungen Demokratie bewähren. Und noch haben sie Angst, ihr gerade gewonnenes Erbe anzutreten.

Tatsächlich hat Libyen eine Menge zu bieten. Seine Übergangsregierung ist nicht vom Ausland abhängig. Die Menschen haben ihre Lehren aus den Nachwehen des Irakkrieges gezogen - sie nutzen den Machtapparat des alten Regimes, anstatt ihn zu zerschmettern. Libyen hat zudem die größten Ölreserven in Afrika und eine große Zahl momentan noch zerstreuten Fachpersonals. Libyens Minderheiten - hauptsächlich die Berber - kämpften für die Rebellen; es gibt keine glaubensbedingten Spaltungen wie zum Beispiel im Irak und im Libanon.

Es ist verführerisch, die Spannungen zwischen den verschiedenen revolutionären Gruppen kleinzureden. Um es klar zu sagen: Der Arabische Frühling ist eine monolithische Entwicklung. Doch gerade Krisensituationen können einen breiten Konsens hervorbringen. In Ägypten ist die Macht des Militärs seit Jahrzehnten ungebrochen – das wird auch so bleiben. In Libyen dagegen bleibt nach Gaddafis Fall nicht viel von der alten Ordnung übrig. Wenn der Nationale Übergangsrat die stürmischen Wasser der ersten Monate durchqueren kann, werden die Menschen ihr Land wieder nach ihren Vorstellungen gestalten können.


Zwischen arabischem Winter und Vorhölle

Wir sind bereits jetzt Zeugen, wie sich ein neuer arabischer Kalter Krieg anbahnt als Folge der Streitigkeiten des vergangenen Jahrhunderts zwischen nationalistischen Republiken (wie das frühere Ägypten unter Oberst Nasser) und den ölfinanzierten Monarchien wie Saudi-Arabien.

Heute sind es Saudi-Arabien und der Iran, die Position beziehen. Abdullah bin Abdul Aziz hat Soldaten nach Bahrain geschickt und Geld über den Golf hinweg in das weit entfernte Marokko gepumpt, um sicherzustellen, dass das Diktatorendomino nicht bis zu ihm durchdringt. Teheran sieht die Chance, regionale Politik nach seinen Vorstellungen zu gestalten. Beide Länder treiben die Konterrevolution voran.

Wesentlich schneller könnte Damaskus fallen. Und doch sollten wir nicht den Fehler machen, Gaddafis schrottreifes Militär mit den gut geölten Brigaden Assads zu verwechseln. Arabische Regierungen haben nicht über Dekaden hinweg überlebt, weil die Menschen nicht protestiert haben, sondern weil eben jene Proteste liquidiert wurden. In Syrien wächst das Potenzial, einen kaleidoskopischen Bürgerkrieg zu entfachen, der leicht auf instabile Nachbarn übergreifen könnte. Der Jemen, dessen Präsident noch immer außer Landes ist, befindet sich bereits in der Vorhölle.

Genau deswegen ist 2011 auch keine Wiederauflage von 1989. Europas Revolution bedeutete Freiheit von Unterdrückung. Die Menschen im Nahen Osten treten jedoch ihren eigenen Dämonen gegenüber, der große Narrativ der Freiheit passt hier nicht. Einige Länder haben gewonnen, andere haben verloren und viele weitere werden noch lange in Unsicherheit leben müssen.


Übersetzung aus dem Englischen.


Shashank Joshi ist Associate Fellow des Royal United Services Institute und Doktorand an der Harvard University. Joshi studierte internationale Beziehungen und Wirtschaftswissenschaften in Harvard und Cambridge und beschäftigt sich vor allem mit dem Nahen Osten und Südasien. Er schreibt für den "Guardian", "The Independent", "The Telegraph", die "Financial Times", CNN und die BBC.





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29.09.2011 13:52 Homepage von wassermann11 Beiträge von wassermann11 suchen
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In der Beziehungskrise Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen       IP Information Zum Anfang der Seite springen

02.10.2011, 15:25 Uhr | Ein Kommentar von Hüseyin Bagci

Die Türkei ist zu einem verlässlichen Bündnispartner für NATO und USA gereift. Ein Vorzeige-Modell für Demokratisierung im Nahen Osten?


Der Arabische Frühling wurde von der türkischen Regierung begrüßt. Viele dachten sogar, dass die Türkei als Modell für Demokratisierung im Nahen Osten dienen könne. Tayyip Erdogan hat diese einmalige Gelegenheit genutzt und begonnen, den arabischen Diktatoren Ratschläge und Vorschläge zu unterbreiten. Die Machthaber in Kairo oder Damaskus haben zwar nicht auf ihn gehört, beim Volk kamen seine klaren Worte jedoch gut an. Gemeinsam mit Präsident Gül und Außenminister Davudoglu bildete der Premier das Triumvirat für einetatkräftige Außenpolitik.


Das Ende der „Null Problem“-Politik

Die Türkei präsentierte sich nicht nur als demokratisch, sondern auch als verlässlicher Bündnispartner der NATO und der USA – ganz im Gegensatz zu Deutschland zum Beispiel. Diese pragmatische und realistische Politik hat geholfen, die Türkei zu einem Machtzentrum im Nahen Osten zu machen. Zwar hinterfragte Erdogan zu Beginn des NATO-Einsatzes, was das internationale Bündnis in Libyen zu suchen habe – genauso, wie er auch im März 2003 gegen die US-Intervention im Irak argumentierte. Doch innerhalb einer Woche änderte Erdogan seine Meinung und machte die Stadt Izmir zur Zentrale für diverse NATO-Operationen.

Als schwierigstes ungelöstes Problem offenbart sich nun Syrien. Bis vergangenes Jahr galten Syrien und die Türkei als das Paradebeispiel für die türkische „Null Problem“-Politik. Doch in diesem Jahr ist es zu einer Politik der vielen Probleme geworden. Präsident Baschar al-Assad und Erdogan waren einmal „gute Kumpel“ – doch heute betrachtet das syrische Regime die Türkei als einen Verbündeten der westlichen Imperialisten. Noch im vorigen Jahr trafen sich das syrische und das türkische Kabinett mehrmals und schlossen mehr als 120 bilaterale Abkommen. Heute hat es sich ins genaue Gegenteil verkehrt. Erdogan setzt ganz pragmatisch auf das Ende des Assad-Regimes. Er scheute sich nicht, Assad aufzufordern, Reformen einzuleiten. Und auch das türkische Volk glaubt daran, dass die Ratschläge an Assad aufrichtig sind und Syrien helfen werden.


Das Vertrauen ist futsch

Faktisch gibt es im militärischen Sinne noch keinen konkreten Grenzkonflikt zwischen den beiden Ländern; trotzdem ist die Türkei bereits jetzt auf den Worst Case vorbereitet. Tatsache ist jedoch, dass die Beziehungen zwischen der Türkei und Syrien sich immer weiter verschlechtern, solange das Assad-Regime keine Reformen beschließt und die Opposition nicht als demokratischen Faktor akzeptiert. Die Türkei erlaubt es unterdes der syrischen Opposition, in Antalya zusammenzukommen; Anti-Assad-Demonstrationen dürfen in Istanbul stattfinden. Die Türkei habe – mit den Worten von Präsident Gül – „das Vertrauen in den syrischen Präsidenten und das Regime verloren“. Und es gibt keine Anzeichen, dass sich dieses Vertrauen so schnell wieder herstellen lässt.

Der Arabische Frühling ist noch nicht beendet und die Türkei versucht jetzt, ihren Platz zu finden und sich den neuen Gegebenheiten anzupassen. Das bedeutet, keine Geschäfte mit Diktatoren zu machen, sondern stattdessen auf die Zusammenarbeit mit neuen, offenen und hoffentlich demokratisch geführten Regimes zu setzen. Es besteht kein Zweifel: Die Türkei ist auf der Seite der Sieger des Arabischen Frühlings. Die türkische Außenpolitik scheint sich in diesem Sinne mehr und mehr zu europäisieren.


Hüseyin Bagci lehrt Internationale Beziehungen an der Technischen Universität Ankara. Bagci hat in Bonn studiert, seitdem beschäftigt er sich mit der türkischen Außenpolitik und den deutsch-türkischen Beziehungen. Er ist Kolumnist für The New Anatolian und stellvertretender Direktor des “Foreign Policy Institute” in Ankara. 2011 lehrt er als Gastprofessor an der HU Berlin.




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03.10.2011 11:35 Homepage von wassermann11 Beiträge von wassermann11 suchen
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Merkels Außenpolitik: "Kanzlerin, geh du voran" Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen       IP Information Zum Anfang der Seite springen

05.10.2011, 11:15 Uhr | Von Wilfried von Bredow, "The European"

Hinter verschlossenen Türen...


Seit einiger Zeit macht die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik einen schmerzlichen Erkenntnisprozess durch. Weder der politischen Elite noch der Öffentlichkeit schmeckt er sonderlich. Man kann ihn so charakterisieren: Der wirtschaftliche, aber auch der politische Status Deutschlands in der Weltpolitik bringt es unumgänglich mit sich, dass Deutschland mehr Führungskraft entwickeln muss. Gelingt das nicht, ergeben sich deutliche Einbußen für das Interesse an selbstbestimmter Eigenentwicklung, also am sozialen Wohlstand und der äußeren wie inneren Sicherheit.


Mit Führungskraft schafft man sich wenig Freunde

Führungskraft - leicht gesagt, besonders wenn man es beim Einfordern belassen und entsprechende Defizite bei der Regierung beklagen kann. Davon leben die Opposition, ein großer Teil der Medien und die Politikwissenschaft. In der praktischen Politik mit ihrem Gewirr von Institutionen, Interessen, unterschiedlichen Werte-Prioritäten in der Innenpolitik und den internationalen Beziehungen ist es immer schwerer geworden, dieser Forderung nachzukommen. Führungskraft zeigt sich als Entscheidungskraft und als die Fähigkeit, getroffene Entscheidungen auch durchzusetzen. Mit Führungskraft schafft man sich in der Politik wenig Freunde. Denn die getroffenen Entscheidungen halten die, die von ihnen profitieren, für selbstverständlich. Und die anderen melden sich wortreich mit Kritik und Gegenvorstellungen zu Wort.

Deutschland hat nach dem Ende des Ost-West-Konflikts und der Vereinigung weitgehend eine Außen- und Sicherheitspolitik nach dem Kim-Prinzip betrieben. Rudyard Kipling kennzeichnet die Hauptfigur seines berühmten Romans als "Freund aller Welt". Das kann man in der Politik aber nicht sein. Entsprechende Versuche scheitern. Für die Sicherheitspolitik war der Afghanistan-Schock 2009 ein Weckruf. Die "Verteidigung der eigenen Sicherheit" kann auch in Krieg übergehen. Noch größere Probleme bereiten derzeit die internationale Finanzpolitik und, untrennbar damit verknüpft, die Währungspolitik für die Euro-Zone. Ohne eine umsichtige, auf sanfte Art unverdrossene, im Übrigen auch durchaus kostspielige Finanz- und Wirtschaftsstrategie Deutschlands wird die gemeinsame europäische Währung scheitern, zur Freude vieler anderer Akteure in und außerhalb Europas.


Bescheidenheit ist Trumpf

Hier ist Führungskraft auf mehreren Ebenen nötig. Sie verlangt im Übrigen auch, dass manche Entscheidungen (Ausweitung des Rettungsschirms, Drängen auf Schuldenabbau, Ansätze für eine gemeinsame Wirtschaftspolitik) „über die Bande“ gespielt werden müssen. Zudem braucht es permanent neue und komplizierte linkages, um verfassungsrechtliche, regierungskoalitions- und fraktionsinterne, europäische und internationale Gesichtspunkte, von denen manche sich als Zwänge geben, nicht nur kurzfristig ausbalancieren zu können.

Das hat die Bundesregierung bislang nicht schlecht hinbekommen. Insbesondere die viel gescholtene Kanzlerin hat sich als führungskräftig erwiesen. Alle Vorwürfe an ihre Adresse, sie würde die Grundsätze der CDU auflösen, sie fahre einen Zick-Zack-Kurs, sie "führe von hinten", sie lasse sich vom französischen Staatspräsidenten übervorteilen und so weiter, sind letztlich nichts anderes als das lautstarke Echo auf eine nicht auftrumpfende, sondern sich eher etwas verhüllende Führungskraft. Ob allerdings die deutsche Führungskraft ausreicht, um die gegenwärtigen und vor uns liegenden Turbulenzen zu beruhigen, kann niemand vorhersagen.


Wilfried von Bredow ist Politikwissenschaftler und war von 1972 bis 2009, unterbrochen durch mehrere Jahre an ausländischen Universitäten, Professor für internationale Politik an der Philipps-Universität Marburg. Eines seiner langjährigen Schwerpunkte in Forschung und Lehre sind das zivil-militärische Verhältnis und Sicherheitspolitik in Deutschland und in den transatlantischen Beziehungen.




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PK: Deutschlands neue Führerin ? geschockt weg

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06.10.2011 12:42 Homepage von wassermann11 Beiträge von wassermann11 suchen
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Geschichtsvergessenheit Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen       IP Information Zum Anfang der Seite springen

Geschichtsvergessenheit

06.10.2011, 12:47 Uhr | Von Christoph Giesa


Kaum war das Ergebnis der Bundestagsabstimmung zur Erweiterung des EFSF (des Rettungsschirms für klamme EU-Staaten) bekannt, wurde es turbulent. In den entsprechenden Online-Foren sammelten sich innerhalb von Minuten Gleichgesinnte, die sich gegenseitig in diktatorischen Vergleichen zu überbieten versuchten. So schlimm, dass man sich schon fragen muss, ob 70 Jahre nach dem Nationalsozialismus und 20 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs selbst in weiten Kreisen der sogenannten Bürgerlichen das Gefühl für den Terror, den Deutschland und Europa im Rahmen von kommunistischen und faschistischen Unterdrückungsregimen erleiden mussten, komplett verloren gegangen ist.

Zweifelsohne handelt es sich bei den Abstimmungen über die europäischen Rettungsschirme und Stabilitätsmechanismen um Entscheidungen, die weit über den Wirkungsgrad von Bundesgesetzen zur Spurweite von Autobahnen hinausgehen. Umfassende Diskussionen auf Basis transparenter Verfahren und Zahlenwerke, harte Auseinandersetzungen und eine enge Einbindung der Parlamente sind vor diesem Hintergrund absolut angebracht - das hat nicht zuletzt das Bundesverfassungsgericht vor Wochen festgestellt.

Dass die Nerven blank liegen und die Entscheidungsmechanismen unbefriedigend sind, weil sich gerade in diesen Tagen einmal mehr herausstellt, dass die Gewaltenteilung und -verteilung in einer europäischen (Währungs-)Union den Anforderungen einer sich immer schneller drehenden Welt nicht mehr gewachsen sind, ist tragisch und muss so schnell wie möglich geändert werden. Und auch darüber darf beherzt gestritten werden; der Kampf um die besten Lösungen macht eine Demokratie aus und stark.


Verhöhnung von Opfern der Diktatur

Womit ich allerdings äußerste Probleme habe, das ist die Art und Weise, wie die Debatte geführt wird. Der Begriff "EUdSSR" ist in gewissen Kreisen ebenso gebräuchlich, wenn es um die EU geht, wie es auch die Bezeichnungen "Volkskammer" und "Blockparteien" für den Bundestag beziehungsweise die dort vertretenen Parteien sind.

Spätestens mit der immer wieder auftauchenden Bezeichnung der EFSF-Entscheidung als "Ermächtigungsgesetz" wird deutlich: Die Debatte wird in Teilen von Menschen dominiert, die das letzte Gefühl dafür, wie unterschiedlich das Wesen einer Diktatur und das unserer derzeitigen Demokratie ist, verloren haben. Eine derartige Agitation ist eine Verhöhnung von Millionen von Opfern der diversen Diktaturen in den letzten 100 Jahren, die dieser Kontinent zu beklagen hatte, und mit blinder, ungelenkter Wut nicht zu entschuldigen.


Einfache Antworten gibt es nicht

Ich bin nachweislich sicher einer der Letzten, der den derzeitigen demokratischen Prozessen unkritisch gegenübersteht. Nichtsdestotrotz halte ich eine Pauschalverurteilung derjenigen, die sich im Bundestag für eine Zustimmung zu der Erweiterung des Rettungsschirms entschieden haben, für falsch. Nur weil man selbst auf der anderen Seite steht, sollte man nicht pauschal davon ausgehen, dass diejenigen, die mit "Ja" gestimmt haben, nur dumme Abnicker wären, die sich keinerlei Gedanken gemacht haben.

Ganz sicher haben auch diese Abgeordnete in großen Teilen hart mit sich gerungen und die unterschiedlichen Szenarien gegeneinander abgewogen. Auf beiden Seiten standen dabei Menschen, die das Thema mehr oder weniger durchdrungen haben und sicher stand nirgends jemand, der die einzig wahre Lösung auf seiner Seite gehabt hätte. Ich habe es schon an anderer Stelle gesagt: Wer glaubt, es gäbe bei diesem Thema einfache Antworten, geht in eine Falle.


Sonnenschein-Demokraten

Eine Demokratie ist erst dann stabil zu nennen, wenn die Menschen sich an ihre Grundregeln auch dann halten, wenn es einmal schwierig wird. Bei Sonnenschein fällt das Bekenntnis leicht, das gilt auch für den europäischen Gedanken. Dabei muss diese Regel natürlich für alle Seiten gleichermaßen gelten, weshalb auch die Ausfälle von Kanzleramtsminister Ronald Pofalla gegen Wolfgang Bosbach in Art und Stoßrichtung nicht zu entschuldigen sind und dringend zur Ablösung des ohnehin wenig erfolgreichen Unions-Karrieristen führen müssen.

Dass sich die Attacken gerade gegen Bosbach, die selbst ernannte Jeanne d’Arc des freien Mandats, richteten, ist nur insofern amüsant, weil genau dieser noch vor einem Jahr von dieser Institution so gar nichts hielt und stramm "Korpsgeist2 einforderte. Ansonsten ist das Verhalten schlicht inakzeptabel.


Auseinandersetzung fast unmöglich

Genauso stark, wenn nicht noch stärker, beschädigen allerdings die Vergleiche mit untergegangenen Unrechtsregimen, in denen Menschen geknechtet, gefoltert und getötet wurden, die Demokratie. Wer behauptet, die Regierungschefs hätten sich zum "kollektiven Rechtsbruch" verabredet, wer die Entscheidungen des Verfassungsgerichts verhöhnt und wer die Abgeordneten, die nicht seiner Meinung sind, als Idioten darstellt, stellt die Systemfrage, ohne dass allerdings bisher Antworten darauf zu vernehmen gewesen wären, wie es denn alternativ weitergehen soll. Solcherlei Positionen sind nicht konstruktiv, sondern destruktiv und nicht respektabel, sondern geschichtsvergessen. Eine inhaltliche Auseinandersetzung wird so fast unmöglich.


Christoph Giesa: Der Unternehmensberater arbeitet für einen großen Handelskonzern in Hamburg, war Landesvorsitzender der Jungen Liberalen in Rheinland-Pfalz und scheiterte 2004 knapp am Einzug ins Europaparlament. Als Initiator der Bürgerbewegung zur Unterstützung von Joachim Gauck als Bundespräsidentschaftskandidat und Mitbegründer der linksliberalen FDP-Vereinigung "Dahrendorfkreis" machte Christoph Giesa sich bundesweit einen Namen. Das Zeitgeschehen kommentiert er auch in seinem Blog unter blog.christophgiesa.de. Sein zweites Buch "Bürger. Macht. Politik." ist gerade im Campus-Verlag erschienen.




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06.10.2011 13:38 Homepage von wassermann11 Beiträge von wassermann11 suchen
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Der amerikanische Frühling Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen       IP Information Zum Anfang der Seite springen

08.10.2011, 14:02 Uhr | Ein Kommentar von Eberhard Lauth

In den USA protestieren die Menschen gegen die wachsende soziale Ungleichheit


Wenn die Medien versagen, hilft nur mehr Satire. Und da in den USA die Medien gerne versagen, hilft nur mehr Jon Stewart, der begnadete Medienkritiker. Der nahm sich dieser Woche der Occupy-Wall-Street-Bewegung an, die viele Berichterstatter vor interpretatorische Rätsel stellt - allen voran das Tea-Party-Zentralorgan "Fox News". Dessen Analysen fasste Jon Stewart recht simpel zusammen: "Diese Menschen sind eine lächerliche Truppe unorganisierter und konfuser Nazis."

Nazis also. Oder genauer: Haschisch rauchende Nazis, die sich gegen den Freiheit, Sicherheit und Wohlstand stiftenden Finanzkapitalismus wenden und damit das Land und die Demokratie als Ganzes zerstören wollen. So weit, so amerikanischer Medienalltag. Doch nicht nur in Biotopen, wo Vergleiche mit Kommunisten und Nazis locker von der Lippe gehen, herrscht dieser Tage großes Unverständnis über die Unermüdlichen von Manhattan, deren Parolen mittlerweile bis zur amerikanischen Westküste dringen. "Wir sind die 99 Prozent!", sagen sie. Der Rest, das eine Prozent, steht für jene Banken, die von Washington mit Billionen an Steuergeldern aus der Finanzkrise des Herbstes 2008 gerettet worden sind. Das eine Prozent hat alles. Die 99 Prozent haben im besten Fall schlecht bezahlte Jobs, mit denen sie nie und nimmer ihre Studentenkredite zurückzahlen können.

Sind das ausreichende Gründe für eine soziale Revolte? Sicher, aber "die Ziele bleiben unklar", grummelt einer in der "FAZ". Die Bewegung sei doch mittlerweile selbst von Kapitalisten unterwandert, höhnt einer auf "Cicero Online". Und überhaupt sind es ja nur ein paar Tausend Leute, nicht der Rede wert, sollen lieber was arbeiten.


Ignoranz kann auch verschwinden

Diese Ignoranz im Umgang mit dezentral organisierten Protestbewegungen ist nicht neu - aber sie kann auch weggehen. Sie war im Herbst 2009 in Österreich zu beobachten, als die #unibrennt-Protestbewegung an den üblichen medialen Multiplikatoren vorbei an Fahrt aufnahm. Und nur ein gutes Jahr später sahen viele euphorisiert zu, wie zwei dezentral organisierte Protestbewegungen den politischen Umsturz in Tunesien und Ägypten herbeiführten.

Keine Ahnung, ob Lawrence Lessigs Traum vom "Amerikanischen Frühling" berechtigt ist. Doch er ist verständlich, denn der US-amerikanische Professor für Rechtswissenschaften an der Harvard Law School stellt die richtigen Fragen, anstatt darüber zu sinnieren, ob eine Protestbewegung ohne Leitwolf überhaupt Bedeutung haben kann. Er fragt, woher der Frust und die Enttäuschung der 99 Prozent kommen und wird schnell bei der immer ungerechteren Verteilung von Geld und Wohlstand innerhalb der amerikanischen Gesellschaft fündig.


Die doch nicht so schöne neue Welt

Die Freiheit des Marktes, an die Spitze getrieben durch die Deregulierung der internationalen Finanzmärkte, stiftet eben doch keine so schöne neue Welt, wie die Neoliberalen immer glaubten. Vielmehr zeigt sich: Je weiter die Schere bei Einkommen auseinanderklafft, desto mehr entsolidarisiert sich eine Gesellschaft. Und ganz nebenbei wird auch der dringend nötige Wirtschaftsaufschwung gebremst, wie eine Studie der Ökonomen Andrew Berg und Jonathan Ostry zeigt.

Anhand zahlreicher Beispiele haben die beiden errechnet, dass nur eine Volkswirtschaft mit gleichmäßigerer Einkommensverteilung auch mit nachhaltigerem Wachstum rechnen kann. Die ungerechte Verteilung von Vermögen sorgt nur für noch mehr Bruchlinien innerhalb einer Gesellschaft.

Viele dringend nötige öffentlich finanzierte Projekte von Bildung bis Belebung der Konjunktur finden plötzlich keine Mehrheiten mehr, weil die Mehrheit längst der Überzeugung ist, dass diese Ausgaben ohnehin nur der reichen Minderheit zugute kommen. Ein Teufelskreis, in dem - so Berg und Ostry - der Schritt zu sozialen Revolten nur mehr ein kleiner ist.

Dazu kommt, dass Wirtschaftskrisen seit jeher die Umverteilung von unten nach oben fördern. Allerdings stehen wir heute vor einer historisch einzigartigen Situation. Bisher waren Schuldenberge meist die Folge verheerender Kriege – und wurden mit deren Ende gestrichen. Die Schulden von heute stammen nicht aus Kriegen, sondern sind Schulden der Privatwirtschaft. Und statt sie zu erlassen, werden sie verstaatlicht.

Bezahlen werden sie 100 Prozent der Gesellschaft. Schmerzen wird das allerdings nur 99 Prozent. Nicht nur in den Vereinigten Staaten.



Eberhard Lauth ist Journalist und arbeitete viele Jahre als freier Autor und in den Chefredaktionen der österreichischen Magazine WIENER und Seitenblicke Magazin. 2009 gründete er das Meinungsmagazin ZiB21. Eberhard Lauth ist Jahrgang 1974 und lebt und arbeitet in Wien.




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09.10.2011 09:50 Homepage von wassermann11 Beiträge von wassermann11 suchen
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Freiheit (mit Kleingedrucktem) Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen       IP Information Zum Anfang der Seite springen

09.10.2011, 15:04 Uhr | Der Presseschauer, The European

(The European)

Am Freitag habe ich mich aufgeregt über Patrick Kurth, einen Abgeordneten der FDP-Fraktion des deutschen Bundestags, dem ich auf Twitter folge. Er twitterte und erinnerte mich dabei an meine ganz persönliche Enttäuschung, die ich mit der FDP verbinde. "Weder witzig noch putzig, sondern groteske Peinlichkeit: #Piraten-MdA gratuliert via Twitter zum #DDR-Geburtstag. #Grundrechtspartei, aha.", so Patrick Kurth auf Twitter.

Dazu muss ich vorwegschicken, dass ich Simon Kowalewski, jener welcher der DDR zum Geburtstag gratulierte, vor mehr als drei Jahren in Berlin kennengelernt habe. Also zu einer Zeit, als der Einzug der Piraten in irgendein Parlament einfach undenkbar schien. Ich habe ihn als einen aufgeschlossenen, sehr liberalen und technikaffinen jungen Mann kennengelernt, der es tatsächlich schafft, polyamor zu leben und nicht in ausgelebten Hedonismus abdriftet. Zudem dürfte seine Umweltbilanz als Veganer ohne Auto deutlich besser sein als von manchem Grünen aus dem Prenzlauer Berg.

Wenn jedoch so eine Äußerung von einem Landtagsabgeordneten kommt, ist das sicher wenig opportun. Die Verklärung der Vergangenheit hat, wenn man sie obendrein noch nicht einmal selbst erlebt hat, unabhängig von der politischen Couleur ein durchaus zu kritisierendes Moment. Doch ich halte Simon mehr für jemanden, der mit seinen Äußerungen schon mal provozieren möchte, als jemand, der die Vergangenheit verklärt. Sonst wäre er wohl eher bei der PDS beziehungsweise deren Nachfolgepartei geblieben.


Bürgerrechtspartei FDP?

Im Übrigen bewegt man sich als FDP-Bundestagabgeordneter beim Thema Bürgerrechte auf ganz dünnem Eis, koaliert man doch mit einer Partei, die das menschenverachtende System der DDR am Leben gehalten hat. Guido Westerwelle hatte noch im Wahlkampf behauptet, Bürgerrechte wären bei der FDP gut aufgehoben. Aber statt sich darum zu kümmern, dankte er dem Diktator Hosni Mubarak, der in der Unterdrückung des eigenen Volkes Erich Honecker sicher um nichts nachstand, für die langjährige Stabilität.

Beim Panzerdeal mit Saudi-Arabien ging es ebenso wenig um die Freiheit oder Bürgerrechte der dortigen Bevölkerung. Mit Guido Westerwelle, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Dirk Niebel und Philipp Rösler stellt die FDP im Bundessicherheitsrat, der die Panzerlieferung im Geheimen beschlossen hat, immerhin vier von neun Mitgliedern. Nur Dirk Niebel toppte noch die prekäre Einstellung zu dem menschenverachtenden Regime, indem er behauptete: "Die Stabilisierung einer Region trägt durchaus dazu bei, die Menschenrechte zu wahren – vielleicht nicht in dem Land, in dem man tätig ist, aber in den Nachbarländern."

Apropos Niebel der Mann mag sich vielleicht in seiner Rolle als Außenwirtschaftsminister gefallen, nur ist mittlerweile fraglich, ob nicht er den viel größeren außenpolitischen Schaden verursacht als der eigentliche Außenminister. Seien es Indianer im Yasuní-Nationalpark oder eingefrorene Medizinfonds, es geht Niebel doch gar nicht um die Menschen, sondern um Rohstoffe.

"Es ist überhaupt kein Geheimnis, dass wir als Industrienation auf Rohstoffe angewiesen sind, aber wir sind ein rohstoffarmes Land. Die meisten Rohstoffvorkommen befinden sich in Entwicklungsländern", meint Niebel.

Preisfrage: Wie kommt man am besten an die Rohstoffe? Den Entwicklungsländern schwatzt man mit dem IWF Infrastrukturprojekte auf, um Schulden und Abhängigkeit, letztlich Unfreiheit für die Länder zu erzeugen. Die Infrastrukturprojekte werden mit Firmen aus den eigenen Ländern durchgeführt, um das Geld wieder aus dem Land abzuziehen. Aber natürlich nicht alles man benötigt ja noch ein paar Leute, bei denen man sich dann später für die Stabilität bedankt. Damit sich diese, die vom Rohstoffexport profitieren, gegen das eigene Volk schützen können, kurbelt man die heimische Wirtschaft noch mit Rüstungsexporten an. Ist er nicht beliebt, unser Leo?

Die Masche ist altbekannt, neu ist die Art und Weise, wie das Entwicklungshilfeministerium, das die FDP eigentlich abschaffen wollte, darin involviert ist. Dabei trifft es die neue Bezeichnung Außenwirtschaftsministerium nicht ganz, da dieses Ministerium mittlerweile zum Auffangbecken für FDP-Parteifreunde von Dirk Niebel mutiert ist. Der Personalrat hat "wiederholt deutlich gemacht, dass für die Besetzung der Stellen eindeutige Kriterien gelten müssen, um sicherzustellen, dass externe Besetzungen dem Grundsatz der Besetzung öffentlicher Ämter nach Leistung, Eignung und Befähigung entsprechen".


"Leistung muss sich wieder lohnen"

Ach ja, "Leistung muss sich wieder lohnen" ist in Wirklichkeit eine Optimierungsaufgabe, denn je geringer die Leistung bei gleicher Vergütung, umso mehr lohnt es sich. Deshalb beschäftigt sich Silvana Koch-Mehrin jetzt auch hauptsächlich mit dem Lohnen. Sie hat einfach festgestellt, dass Arbeitsverweigerung in ihrer Position nicht sanktioniert wird und nimmt sich seit Ende 2009 die Freiheit, nicht im Petitionsausschuss zu erscheinen ganz liberal.

Wie wenig liberal die sogenannten Liberalen sind, konnte man zur Wahlparty 2009 sehen, als man noch nicht mal den im Fernsehen übertragenen Kommentar der Linkspartei zum Wahlergebnis ertragen wollte. Vielleicht will man lieber nicht daran erinnert werden, dass man selbst mal ein links-liberales Profil hatte. Diesen Platz nehmen jetzt zum Teil Simon und andere Piraten ein.

Weil das mit der Provokation so gut geklappt hat, möchte Simon nächstes Jahr Fidel Castro zum Geburtstag gratulieren. Falls ich mich dabei anschließen sollte, hat das weder mit meiner politischen Einstellung noch mit meinem Geschichtsbewusstsein zu tun. Im liberalen Sinne würde ich es einfach machen, weil ich es kann.

Offenlegung: Ja, ich bin einer von diesen maßlos Enttäuschten, die zur letzten Bundestagswahl FDP gewählt haben und diese Partei ab 2013 lieber in der außerparlamentarischen Opposition sähen. Als dass der Union, die in Good-Cop-Bad-Cop-Manier die FDP von Anfang an über den Tisch gezogen hat, einfällt, sie könne diese rechts-liberalen Hülle per Huckepackverfahren in den Bundestag hieven. Vielleicht kommt man dann dort endlich zur Besinnung.


Unter dem Motto "und wieder prasselt alles auf mich ein" befasst sich der Presseschauer seit 2008 mit aktuellen Themen und Themen, die ihm persönlich relevant erscheinen. Besonders gern sieht er dabei politischen Akteuren auf die Finger und freut sich wie ein Honigkuchenpferd, wenn er Widersprüche in der Argumentation entdecken kann. Die Beteiligung am politischen Diskurs sieht er als demokratische Bürgerpflicht. Der Presseschauer betrachtet sich selbst als Hobbylobbyist, der dem Hacktivismus frönt.




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10.10.2011 09:56 Homepage von wassermann11 Beiträge von wassermann11 suchen
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Der Juckeldiduckel-Datenschutz des Staates Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen       IP Information Zum Anfang der Seite springen

10.10.2011, 11:15 Uhr | Von Gunnar Sohn, The European

Im Datenschutz bekleckert sich die Bundesregierung nicht mit Ruhm: statt um Gesetzestreue kümmert sie sich lieber um Ablenkungsmanöver


Die Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner hat ihren Facebook-Ausstieg in der Öffentlichkeit genüsslich zelebriert und ihr Robin-Hood-haftes Engagement gegen die Datenkraken des Internets als Heldentat verkauft. Jeder Jägerzaun wurde von x-beliebigen Bürgermeistern mit großem Getöse gegen Ablichtungsversuche von Google verteidigt. Jeder Like-Button soll aus dem Netz vertrieben werden, um Mark Zuckerberg den Daten-Saft abzudrehen, mit dem er seine Milliarden über Werbung scheffelt. Wer weiß, was der sonst noch so alles mit den Informationen anstellt und eventuell sogar mit staatlichen Stellen kooperiert. Wäre ja schrecklich, wenn der Bundesinnenminister erfährt, dass ich mich auf einer literarischen Facebook-Party herumgetrieben habe und in einer Lesung der Bonner Oberbürgermeister und Miriam Meckel durch den Kakao gezogen wurden. Für diese Daten braucht man allerdings keine obskuren digitalen Ungeziefer, die sich in die Verästelungen meines heimischen Computers begeben, Mikrofon und Kamera anzapfen, um mich Tag und Nacht zu überwachen. Ein Klick auf YouTube reicht aus, um die Juckeldiduckel-Lesung im Café des Bundeskunstmuseums herunterzuladen. Das kann ich selbst entscheiden und steuern. Anders sieht es bei den verborgenen Aktionen der liebwertesten Schlapphut-Gichtlinge in den Behörden aus.



Wer haftet für Staatstrojaner?

Was der Chaos Computer Club jetzt aufgedeckt hat und in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ publizierte, ist empörend, haut mich aber nicht von den Socken. Die Software-Spionage des Staates geht weiter, als es Gesetze und das Bundestrojaner-Urteil des Bundesverfassungsgerichts zulassen. Die von Hackern forensisch überprüften Datenträger offenbaren die Gier von Behörden, nach Lust und Laune jedes Detail der Privatsphäre einer „verdächtigen“ Person zu speichern. Beschränkungen von Legislative und Judikative scheinen die Schlapphut-Fraktion nicht zu stören. Zudem setzt man amerikanische Server ein und sichert den Trojaner noch nicht mal gegen Fremdsteuerungsmöglichkeiten ab. Das gesamte Szenario würde bei einem privatwirtschaftlichen Konzern für eine mediale Steinigung reichen, von dem sich der Delinquent nicht mehr erholen könnte. Aber was ist mit diesen amorphen Sicherheitsbehörden des Staates? Der Bundesinnenminister weiß von nichts, BKA fühlt sich nicht zuständig und die Parlamentarier plädieren für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses, der nach einigen Monaten zu keinem klaren Urteil gelangt und auf der Bundespressekonferenz kaum noch auf Interesse stößt. Am Ende versetzt man irgendeinen Abteilungsleiter vorzeitig in den Ruhestand, weil der sowieso irgendwie nervte. Außer Symbolpolitik läuft da nichts vom Stapel.

Wer schützt denn nun die Freiheitsrechte des Bürgers? Wer schaut denn mal genauer hinter die Kulissen von BKA, LKAs und Co.? Warum betreiben die Staatsorgane so eine Geheimniskrämerei, wenn es um den Einsatz und den Erwerb von Spionage-Equipment geht? Welche Parlamentarier laufen auf Ballhöhe mit den Überwachungsmöglichkeiten des Staates? Und mit welchen Konsequenzen müssen jetzt Dienstherren rechnen, die gegen Verfassung und Gesetze verstoßen haben? Wie intensiv debattieren wir in den nächsten Wochen und Monaten den Bundestrojaner-Skandal, fernab von Like-Funktionen und Street View? Die Sicherheitsbehörden verfahren wohl nach dem Motto, was die Öffentlichkeit nicht weiß, macht sie nicht heiß. Irgendwo findet sich schon ein kleines Zeitfenster, um die illegalen Praktiken ex post durch Gesetzesnovellen zu legalisieren. Dafür sorgen dann die Innenminister von Bund und Ländern.

Der Einsatz des sogenannten Bayerntrojaners der bayerischen Polizei zwischen 2009 und 2010 ist jedenfalls merkwürdig empörungslos über die Bühne gegangen. Die Software kam in den Städten Augsburg, Nürnberg, München und Landshut zum Einsatz. Die Polizei gab als Grund an, Straftaten wie Handel mit Betäubungs- und Arzneimitteln sowie banden- und gewerbsmäßigen Betrug aufklären zu wollen. „Mit der Spionagesoftware kann die Polizei im Grunde alle relevanten Aktivitäten auf dem Computer ausspionieren. Die Ermittlungsbehörden nutzten unterschiedliche Verfahren, um die Spionagesoftware auf einem zu untersuchenden Computer aufzuspielen. So wurde die Software unter anderem über eine Remote-Installation aufgespielt, ein anderes Mal wurde eine Hausdurchsuchung dazu missbraucht, den Bayerntrojaner zu installieren“, berichtete der IT-Dienst Golem. Dagegen ist der Datenhunger von sozialen Netzwerken ein Kindergeburtstag. Erst kürzlich hatte die Bundesregierung Angaben zu einer parlamentarischen Anfrage verweigert, ob der Bundestrojaner gegen Terrorverdächtige bereits eingesetzt wurde. Ist da nachgehakt worden?



Der Staat ist ein schlechter Hüter des Privaten

Wir sollten uns also weniger mit den vermeintlichen Einflüsterungen personalisierter Werbung von Facebook oder Google herumschlagen, sondern mit der Bedrohung der Privatsphäre beschäftigen, die durch staatliches Handeln unter dem Deckmantel von Terrorgefahren gedeihen und einem Cyberwar, der vor allen Dingen in den Spionage-Hirnen von Spitzenbeamten tobt. Die sind eher an neuen Planstellen interessiert und brauchen Gründe für die Existenzberechtigung ihrer Institutionen. Wer schützt uns vor den illegalen Aktionen des Staates? Genau das ist der Ansatz der Post-Privacy-Debatte. Man sollte den Leuten nicht einreden, über Regeln und Gesetze besser geschützt zu werden, wenn sogar wegweisende Urteile des höchsten Gerichtes ignoriert werden. Das ist ein trügerischer Glaube. Das sollte man nicht gleichsetzen mit Defätismus oder Indifferenz gegenüber den Sauereien, die auch von Technologiekonzernen ausgehen. Es geht auch nicht um den Glaubenssatz: „Wenn wir alle transparent sind, wird alles schön“, so die etwas spöttische Bemerkung von Constanze Kurz in einem Interview. Es geht um die Ilse-Aigner-Hans-Peter-Friedrich- CSU-Schräglage der öffentlich artikulierten Sicherheitsrisiken, die von den wirklich schwerwiegenden Risiken für die Privatsphäre ablenken. Die Verteidigung des Privaten ist beim Staat in schlechten Händen. Das sollte man generell bedenken, wenn wieder über Verbote, Regulierungen, neue Überwachungsbehörden und sonstige Drangsalierungsmethoden nachgedacht wird. Das fängt beim Rauchverbot an und hört beim Bundestrojaner auf. Vorsorge und Fürsorge des Staates, so der Soziologe Wolfgang Sofsky, seien nur fadenscheinige Versprechen. „Der Staat ist weder ein Hort der Sittlichkeit noch eine moralische Instanz. Er hütet kein Gemeinwohl und ist auch keine Quelle väterlicher Geborgenheit. Der Staat ist eine Einrichtung zur Beherrschung der Bürger.“


Der Wirtschaftspublizist und Medienberater Gunnar Sohn ist Chefredakteur des Onlinemagazins NeueNachricht. Zuvor arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Konrad-Adenauer-Stiftung und des Instituts für Demoskopie Allensbach. Bei o.tel.o war Sohn Leiter des Büros Unternehmenskommunikation.




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PK: jo mei ... für mich ist Facebook etwas für die in Rudeln auftretende Zahnspangenfraktion ... oder für "Schlichtgestrickte", die unter ner massiven Profilneurose leiden. Nun denn, weshalb sollten Politiker nicht auch darunter leiden Augenzwinkern

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10.10.2011 13:12 Homepage von wassermann11 Beiträge von wassermann11 suchen
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11.10.2011, 12:20 Uhr | Ein Kommentar von Yascha Mounk, The European

In Polen bekamen liberale Parteien die deutliche Mehrheit. Laut einem FDP-Politiker ist man dort also schlauer als in Deutschland


Vor zwei Wochen schwang sich Dirk Pfeil, der Frankfurter FDP-Chef, gnädigerweise von seinem hohen Ross herunter, um uns simplen Bürgern zu erklären, warum seine Partei gerade am Abkratzen ist. Es ist halt leider nun mal so, erzählte Pfeil der „Frankfurter Neuen Presse“, dass wir Wähler zu dumm sind, um die hehren Ideale der Liberalen zu begreifen.

Ja, ja. Traurig aber wahr. Da uns der tiefere Sinn so komplexer Begebenheiten wie der Mövenpicksteuer verschlossen bleibt, sind wir wohl leider auf die anderen, dümmeren Parteien angewiesen.

Nur ein kleines Problem glaube ich mit Pfeils Weltsicht erkennen zu können: Die Wähler in anderen Ländern Europas sind dann wohl um einiges schlauer als wir Deutschen. Denn in Polen zum Beispiel haben liberale Parteien gerade eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung hinter sich vereinen können.



Polens liberale Revoluzzer

Polens Premierminister Donald Tusk ist am Sonntag mit knapp 40 Prozent der Stimmen im Amt bestätigt worden. Das ist eine gewaltige Leistung. Immerhin ist er der erste Premierminister überhaupt, den das demokratische Polen wiedergewählt hat.

Umso beachtlicher also, dass Tusk (anders als Herr Rösler) ganz ohne Populismus auskommt. Als liberaler Reformer hat Tusk Polen mit ruhiger Hand durch die Turbulenzen der vergangenen Jahre manövriert. Er schaffte es, sein Land aus finanziellen Schwierigkeiten herauszuhalten, modernisierte es sanft und baute außerdem bürokratische Hürden für Normalbürger und Jungunternehmer ab. Sein Regierungsprogramm war also klassisch wirtschaftsliberal – und wurde trotz Tusks Mangel an Charisma nun von den Wählern belohnt.

Noch erstaunlicher als die Wiederwahl Tusks ist aber der bahnbrechende Wahlerfolg von Janusz Palikot. Wie stark Palikot mit den Tabus des einst erzkonservativen Landes aufräumen will, wird schon aus den ersten Zeilen seines Manifests für ein zeitgenössisches Polen klar: „Wir haben genug davon, dass jemand für uns entscheidet. Wir haben genug davon, dass uns jemand sagt, wie wir leben sollen, wie wir uns lieben sollen, wie viele Kinder wir haben sollen, und mit wem.“

Palikots Wahlkampf, mit dem er innerhalb weniger Monate von 0 auf 10 Prozent der Wählergunst hochschnellte, war radikal sozialliberal. Aus seinen Reihen entstammen nun die erste transsexuelle und der erste offen schwule Parlamentsabgeordnete der Geschichte Polens. Auch Palikots konkrete Vorschläge haben es in sich. Er will die Kirchensteuer und den staatlichen Religionsunterricht abschaffen, die Homo-Ehe einführen, Kondome umsonst an die Bevölkerung verteilen, Haschisch legalisieren, und die Gleichstellung der Frauen vorantreiben. Themen also, die auch in Deutschland relevant wären. Themen übrigens, nach denen man im Sortiment der FDP vergeblich fahnden würde.



Die FDP verdient es nicht, sich liberal zu nennen

Vielleicht, verehrter Herr Pfeil, sind die deutschen Wähler also weder so dumm noch so antiliberal, wie Sie sich das in Ihrem Edelbunker so zusammengebastelt haben? Ja, vielleicht verstehen wir einfach, dass bei der FDP zwar liberal draufsteht, aber eben nicht drin ist.

Was die Wirtschaftspolitik angeht, bleibt das, was sie sich vor einigen Jahren mit seltener Ehrlichkeit selbst nannte: die Partei der Besserverdienenden. Ihr geht es nicht darum, bürokratische Hürden abzubauen oder es normalen Bürgern zu vereinfachen, ihre eigenen Kleinunternehmen aufzumachen. Nein, es geht ihr vor allem darum, ihre traditionelle Klientel im gehobenen Mittelstand auf Kosten anderer zu verhätscheln. Wie sonst lässt sich erklären, dass die FDP vehement darauf besteht, dass in einem liberalen Staat die Geschäfte am Tage des Herrn geschlossen bleiben müssen?

Und was die Sozialpolitik angeht, ist sowieso klar, dass es bei der FDP vor Spießigkeit nur so trieft. Würde sie es sich trauen, den deutschen Staat von Grund auf zu liberalisieren – also so wie Palikot in Polen, Kirche und Staat endlich zu trennen, den Religionsunterricht in öffentlichen Schulen abzuschaffen und den großen Bruder Staat mitsamt seiner Bundestrojaner aus unseren Leben zu verbannen – dann, ja dann, hätte sie es verdient, sich liberal zu nennen.

Da ich in Deutschland aufgewachsen bin, hielt ich das Wort „liberal“ selbstverständlich für ein Schimpfwort. Erst im Ausland habe ich gelernt, dass man sich gar nicht dafür schämen muss, liberal zu sein – sondern nur dafür, so wie der werte Herr Pfeil, bei der FDP Karriere machen zu wollen.


Yascha Mounk ist Doktorand in Harvard und Herausgeber des von ihm mitbegründeten Magazins The Utopian. Als freischaffender Journalist schreibt Mounk für europäische und amerikanische Publikationen wie die New York Times, den International Herald Tribune, den Boston Globe, The Daily, The National, n+1, Dissent und Unità.



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11.10.2011 15:51 Homepage von wassermann11 Beiträge von wassermann11 suchen
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Es brodelt, es kocht - wann kocht es über? Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen       IP Information Zum Anfang der Seite springen

12.10.2011, 13:07 Uhr | Gerd Langguth, "The European"

Konnte den Posten als Parteivize nicht ergattern: CSU-Politiker Peter Gauweiler


Man merkt, dass die CSU längst nicht mehr den krachledernen Charakter hat wie in vergangenen Zeiten. Die Tatsache, dass der "Euro-Rebell" Peter Gauweiler nicht zum CSU-VIzechef gewählt wurde, ist eindeutig auf die Regie des Parteitages zurückzuführen.

Ein so engagierter Euro-Kritiker, das ist klar, hätte nicht in das Personalkonzept von Horst Seehofer gepasst. Trotzdem ist der Parteitag kein makelloser Sieg für den Parteichef. Seehofer bekam mit 89,9 Prozent nur wenige Stimmen mehr als bei seiner letzten Wahl (88,1 Prozent). Das ist vor allem deshalb interessant, weil jedem in der Partei klar ist, dass es bei der nächsten Landtagswahl 2013 für die CSU ums Ganze geht.


Ein Herausforderer für Seehofer

Mit dem jetzigen Oberbürgermeister von München, Christian Ude (SPD), tritt erstmals ein Herausforderer in Bayern an, der der CSU und Seehofer gefährlich werden kann. Nach dem Gesetz der innerparteilichen Logik hätte deshalb eigentlich eine größere Zustimmung für den Vorsitzenden die Folge sein müssen.

Für die Euro-Skeptiker dagegen, die es in der CSU zuhauf gibt und die sich zu großen Teilen hinter Peter Gauweiler und dessen Kampfkandidatur versammelt hatten, sind die fast 50 Prozent der Stimmen gar kein schlechtes Ergebnis. Trotzdem muss schlussendlich konstatiert werden, dass Gauweiler gescheitert ist. Er verpasst so die Chance, als Stellvertreter quasi ex cathedra für den Vorstand zu sprechen. So kann er seine Stimme als Euro-Rebell weiterhin nur im eigenen Namen erheben.

Vermutlich dürfte das Verhältnis zwischen Seehofer und Gauweiler endgültig zerrüttet sein: Zu offensichtlich war das Bemühen des Parteichefs, den Rebellen zu verhindern. Dass Seehofers Strategie aufging, ist auch dem Umstand geschuldet, dass man in einer autoritätsfürchtigen Partei wie der CSU nur ungern gegen einen Bundesminister stimmt – einen Minister zudem, der viele Milliarden verwaltet, die auch in die Infrastruktur von Bayern fließen.

Gauweiler dagegen gilt Seehofer als zu wenig kalkulierbar und wird nicht nur mit Euro-Skepsis verbunden, sondern steht für manche in der CSU für eine eher vormoderne Version der Partei aus der Zeit von Franz Josef Strauß.

In welche Richtung trägt dieser Parteitag die CSU also? Obwohl europakritische Aspekte im Europapapier verabschiedet wurden, hat sich die CSU prinzipiell proeuropäisch gegeben: Die Tatsache, dass Gauweiler nicht gewählt wurde, ist auch eine Absage an einen zu harschen anti-europäischen Populismus.



Nützliche Euro-Skepsis

Und doch darf man sich von diesem nach außen hin weitgehend gelungenen Versuch, die CSU als eine europäische Kraft darzustellen, nicht darüber hinwegtäuschen lassen, dass es in der Zukunft in der Europa-Frage zu erheblichen Auseinandersetzungen zwischen den beiden C-Parteien kommen dürfte. Die CSU wird dabei mit Gauweiler im Nacken, wenn auch ohne einen Gauweiler im Vorstand, einen deutlich restriktiveren Kurs als die Schwesterpartei einnehmen.

Die bayerische Euro-Kritik kann im Endeffekt allerdings für die Union als Ganzes sogar nützlich sein: In der Bevölkerung gibt es einen beachtlichen Teil von Euro-Skeptikern. Wenn sich diese überhaupt nicht im Parlament oder einer staatstragenden Partei repräsentiert finden, könnten sie sich der Wahl verweigern oder womöglich eine radikalere Partei wählen. Die Tatsache, dass die CSU häufig präziser, klarer, härter und oft auch populistischer agiert, ist unter Umständen zur Integration der gesamten Breite der Bevölkerung in die Union hinein – beide Parteien sind in einer Fraktionsgemeinschaft verbunden – ziemlich nützlich. So war das zumindest in der Vergangenheit.


Gerd Langgutharbeitete immer zwischen Politikwissenschaft und -praxis. In den 70er Jahren war er Bundesvorsitzender des RCDS (Ring Christlich-Demokratischer Studenten). In der Legislaturperiode 1976 bis 1980 war er Abgeordneter im Deutschen Bundestag. Weitere wichtige Ämter folgten. Heute lehrt Gerd Langguth an der Universität Bonn und schreibt über die Machthaber in Berlin, so etwa Biografien über Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundespräsident a.D. Horst Köhler.




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12.10.2011 18:33 Homepage von wassermann11 Beiträge von wassermann11 suchen
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13.10.2011, 11:15 Uhr | Ein Kommentar von Hanno Burmester


Ein Staatstrojaner! Die Empörung ist groß. Doch wer hat den Trojaner überhaupt eingesetzt? Auf welcher rechtlichen Grundlage? Und wer hat ihn auf welche Weisung hin entwickelt? Diese Schlüsselfragen werden seit Sonntag scheibchenweise im Nachgang geklärt. Vor den Fakten aber kam der öffentliche Aufschrei. Das ist, bei aller wohl berechtigten Kritik an den Trojanern, ziemlich symptomatisch.

Das Inhaltschaos ist, neben dem Trojaner selbst, das eigentlich Schockierende an den Enthüllungen vom Sonntag. Vor allem Piraten, CCC-Mitglieder und Privatunternehmer dienen als Experten zum Thema. Die Mehrheit in Presse und Politik ist schlicht nicht befähigt, den Fall aus eigener Expertise heraus fundiert zu bewerten.



Informiert Euch!

Das muss sich ändern. Derartige Wissenslücken sind mehr als nur eine bedenkliche Momentaufnahme. Sie sind dafür verantwortlich, dass sich Staat und Privatunternehmen immer weiter in unsere Privatsphäre hineindrängen können. Wir sind viel zu wenig sensibilisiert, was die digitale Bedrohung unserer Freiheitsrechte angeht. Eine Wohnungsdurchsuchung, ein abgehörtes Telefon, ein mitgelesener Brief – all dies sind greifbare, erfahrbare Dinge, die uns empören und betroffen machen. Ein mehr oder weniger unsichtbarer Spion auf unserer Festplatte macht hingegen viel weniger Angst. Dabei geht der Eingriff in unser Privatleben auf digitalem Wege viel tiefer. Ein hohes Maß an Sorge um die individuellen Freiheitsrechte ist hier also angebracht, weit mehr, als es heute der Fall ist. Die Aufregung um den Bundestrojaner ist also eigentlich an Weckruf an alle: Informiert Euch! Seid wachsam!

Mit ursächlich für den Trojanerskandal ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Karlsruhe hat die Quellen-Telekommunikationsüberwachung zugelassen, obgleich unter strengen Beschränkungen. Das Urteil gleicht der Erlaubnis für ein Kind, sich frei in der Süßigkeitenabteilung zu bewegen, ohne auch nur einen Blick auf all die Leckereien abseits der erlaubten Tafel Schokolade werfen zu dürfen. Ähnlich geht es den Ermittlern, die Zugriff auf eine Festplatte erhalten, ohne die Überwachungsmöglichkeiten dort nur im Ansatz ausschöpfen zu können. So ein Konstrukt muss scheitern. Deshalb kann man getrost davon ausgehen, dass das LKA Bayern wohl nicht die einzige Behörde ist, die einen gesetzeswidrigen Trojaner eingesetzt hat. Landeskriminalämter, Bundeskriminalamt und vor allem die Nachrichtendienste in Bund und Ländern müssen nun kritisch überprüft werden. Alle Online-Durchsuchungen der vergangenen Jahre müssen auf den Tisch, einschließlich der hierfür verwendeten Technik. Allen betroffenen Behörden sollte klar sein: Wer hier eine Grenze überschreitet, setzt Job und Behördenkompetenz aufs Spiel.



Die Tür bleibt auf

Die Schnüffel-Trojaner erinnern zudem daran: Wer dem Staat einmal die Türe öffnet, kriegt sie nicht wieder geschlossen. Auch die beschränktesten Überwachungs- und Ermittlungskompetenzen öffnen die Türe in unser Privatleben, und sei es nur einen Spalt weit. Es ist immer nur eine Frage der Zeit, bis der Gesetzgeber sie auf Drängen der Behörden weiter aufstößt. In den vergangenen Jahren hat Deutschland Privatsphäre und Freiheitsrechte zugunsten eines diffusen „Mehr an Sicherheit“ im Kern geschädigt. Der vom CCC entschlüsselte Trojaner ist diesem Geist entsprungen. Wer nun ernstlich überrascht über diesen Fehltritt der Sicherheitsbehörden ist, ist seit 2001 mit verschlossenen Augen durch die Welt gelaufen.


Hanno Burmester ist politischer Berater lebt in Berlin und arbeitet seit 2006 im bundespolitischen Umfeld. 2009/10 hat er in der Stiftung Neue Verantwortung an einem Thesenpapier zur Zukunft der deutschen Parteien mitgearbeitet. Als freier Autor publiziert er unter anderem im freitag und bei The European.




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14.10.2011 10:45 Homepage von wassermann11 Beiträge von wassermann11 suchen
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Saustall Berlin Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen       IP Information Zum Anfang der Seite springen

Saustall Berlin

14.10.2011, 13:41 Uhr | Ein Kommentar von Jost Kaiser


Die Großstadt, der Moloch, der Sündenpfuhl ist die ewige Provinzfantasie. Und in Berlin ist es so, dass die Provinzfantasie von den Provinzlern selbst gestaltet wird. Denn Berlin, das sind bekanntlich die Göttinger, die Stuttgarter, die Hamburger und die Hannoveraner, die vor ihren Eltern geflohen sind und ein bisschen Faxen und im Berghain Schweinkram machen, bis das Schicksal sie unausweichlich dazu verurteilt, genauso schlimm zu werden wie ihre Altvorderen.

Berlin hat so seine Rolle als Fluchtstadt in immer neuen Variationen längst gefunden, nur, dass sich etwas noch verstärkt hat: es ist genau das passiert, was in der so genannten Hauptstadtdebatte in den frühen Neunzigern befürchtet wurde: das großstädtische Deutschland ist Berlin. Und nur Berlin. Der Rest ist Provinz. Da kann die sogenannte Schwabenmetropole ein bisschen Aufstand spielen: in Berlin, wo täglich mindestens ein Auto brennt, ist immer Stuttgart 21.



Berlin liefert die Show für den Rest der Republik

Berlin liefert die Show, die den Rest der Republik so erschaudert, dass auch die Provinz als Idee einer Welt, die noch in Ordnung ist, auf einmal wieder sein Gutes hat. So funktioniert der neue Föderalismus. Denn die Hauptstadt beliefert den Rest mit einer negativen Identität: was die da in Berlin wieder machen, also, das ist ja, nein, also so wollen wir wirklich nicht sein.

Während also seit Jahren täglich mindestens ein Auto brennt, und einmal im Jahr, am 1. Mai das Gewaltmonopol des Staates aufgehoben ist, um die Geländespiele für Erwachsene zu ermöglichen, ist dieses Jahr folgendes noch zusätzlich passiert: eine Partei ohne Programm aber mit dem Namen Piraten wurde in das Berliner Parlament gewählt, weil ein ganzes Milieu irgendwie der Grünen überdrüssig geworden war. Und weil Berufsjugendlicher in Berlin einer der wenigen aussichtsreichen Jobs ist.

Seit neuestem macht eine neue Hobbygruppe auf sich aufmerksam: die Bahnzerstörer. Gegen die RAF kann man sagen, was man will: aber am Ende der ermüdenden Schreiben, nachdem sie wieder einen umgelegt hatte, war wenigstens werksimmanent klar, warum es ihn erwischt hatte: er war Kapitalist, bei der SS, er war böse.

Warum, wenn einer gegen den Afghanistan-Krieg ist, allerdings anfängt, die Regionalbahn nach Rathenow lahmzulegen, und das im ARD-Ratgeber-Gesundheit-Sprech als „Entschleunigung“ bezeichnet, die er anstrebt, indem er die Signalkabel anzündet – das bleibt ein großes Rätsel.

Warum das alles, warum gerade heute, fragt man sich außerhalb Berlins schon lange nicht mehr, denn man weiß: in Berlin wird schon jemand einen Grund finden. Bei den Lebensabschnittsradikalinskis, die das Feuer legen, wird dennoch erklärt, was keinen interessiert: „Warum das alles? Warum ausgerechnet heute?



Und täglich ruft die Revolution

Jeder Tag wäre der richtige Tag für eine Sabotage, denn jeder Tag bietet so viele Anlässe für radikales Eingreifen in den üblichen, tagtäglichen Ablauf, dass es keinen falschen gibt. Zum Beispiel jährt sich gerade der Angriff auf Afghanistan zum zehnten Mal. Das nehmen wir zum Anlass zu bekräftigen, dass sich an den Verhältnissen gründlich etwas ändern muss. Die Gewohnheit, mit der hier jede Scheiße hingenommen oder durchgesetzt wird, muss durchbrochen werden.”

Was ist da wieder los in Berlin? Die Bahn lahmlegen “zum Beispiel” weil sich der “Afghanistan-Angriff” zum zehnten mal jährt?

So denken sich das also die Entschleunigungs-Radikalinskis: Da steht also der durchgefrorene Bahnfahrer auf dem Bahnsteig und schreitet, weil die Bahn nicht fährt gegen den Afghanistan-Einsatz ein, denn aufgrund des Zugausfalls ist ihm klar geworden, dass „die Gewohnheit, hier jede Scheisse hinzunehmen“ durchbrochen werden muss, wo er doch bisher der Meinung sein musste „die Scheisse“, bestünde vor allem darin, dass die Bahn noch nicht mal fährt, wenn keiner die Signalanlagen anzündet. Nein, auf so was kommt man nur in Berlin. Irre.

Die Republik hat was zu Quatschen mit diesem Berlin. Mindestens dafür schon hat sich der Hauptstadtbeschluss gelohnt.


Jost Kaiser war Blogger bei Vanity Fair und kommentierte dort das politische Geschehen im In- und Ausland. Kaiser ist zudem Autor für die Süddeutsche Zeitung, die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, die Zeit und den Tagesspiegel.




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14.10.2011 19:31 Homepage von wassermann11 Beiträge von wassermann11 suchen
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16.10.2011, 15:59 Uhr | von Eberhard Laut, The European

Weder Ökonomie noch Politik konnten bisher beweisen, die Probleme der Zeit richtig zu diagnostizieren. Man muss wohl wirklich alles selbst machen.


Heute braucht es Ökonomen, um die Welt zu erklären. Ein guter Satz, oder? Er ist nicht von mir. Ich habe ihn vor Kurzem wieder einmal gehört, gelesen, was weiß ich. Er klingt logisch, waren doch die 90er-Jahre und die kurzen Nullerjahre die Jahrzehnte der Politikwissenschaftler. Sie versuchten, die neue Weltordnung nach dem Fall des Eisernen Vorhangs zu erklären. Sie erzählten vom Kampf der Kulturen und dessen Bestätigung durch Nine Eleven. Sie riefen das Ende der Geschichte aus. Ganz schwindlig konnte einem werden vor lauter klugen Gedanken, da musste einfach was anderes kommen.



Um sich greifende Zukunftsangst

Vor allem, wenn die Weltpolitik von der Weltwirtschaft plötzlich von der Überholspur auf den Pannenstreifen gedrängt wird. Wirtschaftskrise. Banken im Arsch. Steuergeld im Arsch. Nationalstaaten im Arsch. Bürger im Arsch.

Zugegeben, das ließe sich auch feiner formulieren, aber das fällt vielen Menschen immer schwerer. „Billions for bankers, cutbacks for workers. Hell no!“, steht auf den Transparenten der #OccupyWallStreet-Demonstranten in New York. „Wir sind nicht die Rotzbuben der Arbeitgeber“, sagt der voest-Betriebsratsvorsitzende Hans-Karl Schaller in Linz. Ja, tatsächlich: Auch im Allessuperkeinekriseparadies Österreich wagt sich nach 25 Jahren die Gewerkschaft der Metallarbeiter an einen Vollstreik, weil sie sich bei den Tarifverhandlungen über den Tisch gezogen fühlt.

Die beiden Parolen haben zwar ursächlich nichts miteinander zu tun, aber trotzdem eine Gemeinsamkeit: Sie sind Zeichen eines Protests, der auf Zukunftsangst basiert. Und diese Zukunftsangst ist das Resultat einer Ökonomie, die weder von der Politik in Schach gehalten werden kann noch von sich selbst.

Dass etwa der Banken- und der Finanzsektor gerettet wurden, ist nur ein weiterer Sieg neoliberalen Ökonomieverständnisses. Andere Branchen und der öffentliche Dienst werden dadurch zu Einsparungen gezwungen, der Finanzsektor wird so in der Politik eine wichtigere Rolle spielen als je zuvor.

Gerade in der Frage der Bankenrettung waren sehr viele Ökonomen um Rat gefragt worden. Und weil Ökonomen meist auch Ideologen sind, waren ihre Einschätzungen nicht wissenschaftlicher Natur, sondern wohlfeile Impulse zur Bestätigung diverser Ideologien. Ob mehr Staatsausgaben oder rigorose Sparprogramme – die Ökonomie hat für jeden etwas dabei. Und je länger man darüber nachdenkt, desto skeptischer stimmt einen der zum Beginn dieses Textes formulierte Satz. Sollen wir uns die Welt tatsächlich von Ideologen erklären lassen? Von Leuten, die sich bereitwillig vor den Karren jeder erdenklichen Weltanschauung spannen lassen? Die Befindlichkeiten und Überzeugungen vor ihre Wissenschaft stellen?

Zugegeben, das ließe sich auch weniger suggestiv fragen, aber das fällt einem immer schwerer. Gerade in Zeiten, in denen einer Bürgerbewegung wie #OccupyWallStreet vorgehalten wird, sie habe ja gar keine Ideologie.



Eingreifen der Zivilgesellschaft

Da erscheinen die Ansätze des in anderen Zusammenhängen schon erwähnten Politikwissenschaftlers und Soziologen Colin Crouch einmal mehr viel praktikabler. Der Autor hat seinem Standardwerk „Postdemokratie“ eine Fortsetzung hinterhergeschickt, die den Titel „Das befremdliche Überleben des Neoliberalismus“ trägt. Darin deckt er nicht nur die zahlreichen individuellen Lebenslügen auf, die es in den vergangenen Jahrzehnten brauchte, um die Freiheit von Märkten zur Grundlage der Freiheit des Menschen zu verklären. Er spricht auch der klassischen Ökonomie die Fähigkeit ab, die Probleme der Zeit zu erkennen.

Es braucht, um Crouch zu paraphrasieren, vielmehr das Eingreifen einer vierten Kraft – „einer kampflustigen, vielstimmigen Zivilgesellschaft, die die Nutznießer des neoliberalen Arrangements mit ihren Forderungen unter Druck setzt und ihre Verfehlungen anprangert“. Oder wie er es auch formuliert: „Wenn wir die Konzerne schon nicht stoppen können, sollten wir sie wenigstens vor uns hertreiben.“ Crouch weiß wohl, wovon er spricht. Er unterrichtet an der Warwick Business School in Großbritannien, einer renommierten Kaderschmiede für junge Manager.




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17.10.2011 00:02 Homepage von wassermann11 Beiträge von wassermann11 suchen
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Putin, der Krisenretter Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen       IP Information Zum Anfang der Seite springen

17.10.2011, 11:15 Uhr | Von Alexander Rahr

Touristen lieben Russland


Im Westen hat die Nachricht von der Wiederkehr Wladimir Putins scharfe Entrüstung ausgelöst. Russland habe einen weiteren Beweis dafür erbracht, dass es keine Demokratie sei.



Die liberalsten Wirtschaftsreformen der russischen Geschichte

Bei aller berechtigten Kritik an der „gelenkten Demokratie“ sollte man aber nicht vergessen, aus welcher Vergangenheit Russland kommt. Das Land steckt noch mitten in einem schwierigen Transformationsprozess. Für die Mehrzahl der Russen haben innere Stabilität, funktionierendes Staatswesen, Recht und Ordnung eine größere Bedeutung als Freiheit und Meinungsvielfalt. Viele Russen sind Putin dankbar, dass er das Land erfolgreich aus den Krisen der Neunzigerjahre herausgeführt hat. Während seiner ersten Präsidentschaft 2000-2004 hat Putin die liberalsten Wirtschaftsreformen der russischen Geschichte implementiert, das Privateigentum legalisiert, Anreize für ein verbessertes Investitionsklima in Russland geschaffen. In seiner zweiten Amtszeit 2004-2008 ließ er dann die Schrauben am politischen System zudrehen, was aber seinen hohen Sympathiewerten in der Bevölkerung nicht abträglich war.

Kein Kremlherrscher hat für die sozialen und wirtschaftlichen Bedürfnisse der eigenen Bevölkerung mehr getan als Putin. Unter ihm ist der niedrigste Steuersatz in Europa eingeführt worden, der Lebensstandard in der Bevölkerung verbesserte sich in den Nullerjahren des 21. Jahrhunderts um das Vielfache, ein modernes Bankwesen sowie ein funktionierendes Versicherungswesen wurden eingeführt, sogenannte nationale Projekte in den Bereichen Bildung, Gesundheitswesen, Wohnungsbau und Landwirtschaft aufgelegt, ein arbeitsfähiges Sozialnetz für minderbemittelte Bürger kreiert. Im Vergleich zu den Neunzigerjahren wurde eine Massenarbeitslosigkeit verhindert, Renten und Löhne pünktlich ausbezahlt, die staatlichen Sozialausgaben lagen in den letzten zehn Jahren über dem Verteidigungsetat. Die Millionen russischer Touristen in Europa zeugen vom wachsenden Wohlstand in der Bevölkerung. In Russland hat sich eine Mittelschicht herausgebildet, die in den nächsten Jahren auch politisch zur Geltung kommen kann.



Eine neue Generation junger Russen

Putin würde einen schweren Fehler begehen, wenn er denken würde, die nächsten sechs oder gar zwölf Jahre sein Land im alten Stil weiterregieren zu müssen. Im Land wächst eine neue Generation junger Russen auf, die den Kommunismus nicht kennt und keine Furcht mehr vor der Staatsobrigkeit verspürt. Diese aufsteigende Generation misst ihren Lebensstandard nicht an den zurückliegenden Neunzigerjahren, sondern an dem Leben im übrigen Europa. Die Reisefreiheit ermöglicht den Russen jetzt den unverfälschten Blick in die EU und andere Kontinente. Von ihrer Regierung werden sie mehr, nicht weniger Modernisierung einfordern.

Zu den größten Problemen in Russland zählt die Korruption. Sie ist zu einem tragenden Element des gesellschaftlichen Lebens geworden. Sie auszumerzen wird nur über eine Stärkung des Rechtsstaates gehen, aber auch durch einen radikalen Mentalitätswandel in der Bevölkerung selbst.

Russland wird sich von der übrigen Welt nicht isolieren können. Ein Beitritt zur WTO ist ein dringendes Muss. Woher, wenn nicht aus Europa, kann es die Unterstützung für seine anstehende Wirtschaftsmodernisierung beziehen? Mit dem Verkauf von Öl und Gas wird es seine Wirtschaft nicht reparieren und seinen Wunsch, bald zu den zehn am stärksten wachsenden Wirtschaften der Welt zu gehören, nicht realisieren können. Optimisten glauben, dass Dmitri Medwedew als liberaler Premierminister unter Putin die notwendigen Reformen durchzuführen im Stande sein wird.


Der studierte Politologe Alexander Rahar ist Programmdirektor Russland/Eurasien der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik e.V. Zuvor war Rahr wissenschaftlicher Mitarbeiter am Forschungsinstitut von Radio Freies Europa/Radio Liberty und Projektmanager am Bundesinstitut für ostwissenschaftliche und internationale Studien. Er schrieb Biografien von Michail Gorbatschow und Wladimir Putin sowie die Bücher “Russland gibt Gas” und “Putin nach Putin”. Im Jahr 2003 wurde Rahr das Bundesverdienstkreuz verliehen, zudem ist er Ehrenprofessor an der Moskauer Staatsuniversität für internationale Beziehungen.




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17.10.2011 14:30 Homepage von wassermann11 Beiträge von wassermann11 suchen
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RE: Putin, der Krisenretter Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen       IP Information Zum Anfang der Seite springen

Zitat:
Original von wassermann11
17.10.2011, 11:15 Uhr | Von Alexander Rahr

Touristen lieben Russland
...

Zu den größten Problemen in Russland zählt die Korruption. Sie ist zu einem tragenden Element des gesellschaftlichen Lebens geworden. Sie auszumerzen wird nur über eine Stärkung des Rechtsstaates gehen, aber auch durch einen radikalen Mentalitätswandel in der Bevölkerung selbst.

...

Wenigstens so verklausuliert wird vom Alexander die Russenmafia mal erwähnt, ohne die dort quasi nichts geht. Man schätzt ihre Umsätze höher als die von General Electrics! (Und sie zahlt keine Steuern, allenfalls Bestechungsgelder...) Es ist also derzeit die größte "Firma" der Welt!

(Einen schönen Gruß an Natasha und Olga mit dem Damenbart. So viel Zeit muss sein! großes Grinsen )

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17.10.2011 19:57 Email an nettman42 senden Homepage von nettman42 Beiträge von nettman42 suchen
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Die Republikaner und der Sozialismus Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen       IP Information Zum Anfang der Seite springen

18.10.2011, 11:15 Uhr | Von Yascha Mounk

71 Prozent der wahrscheinlichen Wähler halten Obama für einen Sozialisten


Jeden Tag dröhnen die Schimpfworte in den USA aus Autoradios und prangen auf Fernsehbildschirmen: Barack Obama ist ein Sozialist, wenn nicht gar ein Kommunist. Warum? Weil er im Gegensatz zu den Meinungsmachern auf Fox News und im Talk Radio nicht davon ausgeht, dass der Markt alle Probleme im Alleingang lösen kann, und deshalb eine legitime Rolle für den Staat im Leben moderner Bürger sieht.

Diese dumpfen Attacken sind mittlerweile so sehr Teil des normalen Umgangstons geworden, dass sich alle republikanischen Präsidentschaftskandidaten irgendeine Form davon zu eigen gemacht haben. Herman Cain und Rick Perry spielen dieses Spiel mit besonderer Hingabe. Aber selbst der vermeintlich moderate Mitt Romney ist sich dafür nicht zu gut.

Es verwundert also kaum, dass, laut einer aktuellen Umfrage, 71 Prozent der wahrscheinlichen Wähler bei den anstehenden republikanischen Vorwahlen Obama für einen Sozialisten halten; nur 17 Prozent widersprechen dieser Einschätzung.


Nur: Laut derselben Umfrage sprechen sich sage und schreibe 78 Prozent dieser Wähler dafür aus, Medicare, die staatliche Krankenversicherung für Amerikaner über 65, beizubehalten; gerade einmal 10 Prozent würden Medicare abschaffen. Etwas kleinere aber immer noch sehr beträchtliche Mehrheiten der Republikaner halten auch andere zentrale Teile des amerikanischen Wohlfahrtstaates, wie zum Beispiel Medicaid und Social Security, für legitim.



Sind Republikaner heimliche Sozialisten?

Was geht hier vor sich? Hat Occupy Wall Street es binnen weniger Wochen geschafft, selbst erzkonservative Republikaner zu überzeugen, dass sie Teil der "99 Prozent" sind? Oder freuen sich Republikaner gar heimlich, dass Obama ein Sozialist ist?

Ganz so ist es natürlich nicht. In Frankreich, und bis zu einem gewissen Grad auch in Deutschland, mag "Sozialist" im Volksmund schlicht mit Sozialdemokrat äquivalent sein. In Amerika dagegen klingt der Sozialismus für die allermeisten Republikaner so wie auch für die meisten Demokraten mehr nach Stalin als nach Roosevelt. Wenn "Sozialist" als Schimpfwort so verlockend ist, dann liegt das schlicht daran, dass es auch als Schimpfwort wahrgenommen wird.

Die Republikaner halten sich also nicht für Sozialisten. Gleichzeitig aber erkennen selbst Hardcore-Republikaner schlicht, dass der Staat in der sozialen Marktwirtschaft eine legitime Rolle zu spielen hat. Trotz all der radikalen Rhetorik, die sie von ihrer Parteiführung übernommen haben, sind sie nicht dazu bereit, sich mit Haut und Haar der Macht der Märkte auszuliefern.

Kurz gesagt: Dieselben Wähler, die in Obama einen Sozialisten zu erkennen glauben, pflichten ihrem Präsidenten in seinen tatsächlichen Meinungen erstaunlich oft bei.



Ein rhetorisches Eigentor

Kurzfristig ist klar, warum die Republikaner Obama anfeinden. Indem sie ihn als Sozialisten verunglimpfen, distanzieren sie sich mit klaren Worten vom unpopulären Präsidenten und mobilisieren ihre Wähler.

Langfristig aber riskieren die Präsidentschaftskandidaten damit ein gewaltiges Eigentor. Je radikaler ihre Rhetorik gegen den Staat, desto weniger werden sie, falls sie einmal an die Macht kommen, dazu fähig sein, pragmatische Lösungen für die reellen Sorgen ihrer Wähler anzuvisieren. Von ihren eigenen Worten zu einer immer fundamentalere Ablehnung des Wohlfahrtstaates angetrieben, würden sie schnell abgestraft werden denn im Abstrakten mag ihre Basis den Staat zwar hassen, im Konkreten aber erwartet sie von ihm auch in Zukunft die gewohnten Leistungen.

Ja, im Extremfall könnte man sich sogar vorstellen, dass die täglichen Anfeindungen von Obama als Sozialisten den Sozialismus in gewissen Kreisen irgendwann einmal hoffähig machen könnten. Falls die Republikaner es tatsächlich schaffen sollten, das amerikanische Volk davon zu überzeugen, dass Medicare, Medicaid und Social Security sozialistisch sind dann würde manch ein Amerikaner sich vielleicht lieber einen Sozialisten nennen, als diese extrem populären Programme abzuschaffen.
Oskar Lafontaine ist kein Kommunist und Peter Gauweiler kein Faschist

Das sollte uns allen eine Lehre sein. Es ist stets verlockend, seine politischen Gegner aus überschwänglicher Freude an der Rhetorik zu verunglimpfen. Auch in Deutschland mutiert ein Oskar Lafontaine dann mal schnell zum Kommunisten und ein Peter Gauweiler zum Faschisten.

Normalerweise halten wir solche Sprüche für problematisch, weil sie historisches Unrecht trivialisieren. An dieser Sorge ist etwas dran. Wer nicht erkennt, dass die Opfer von Kommunismus und Faschismus weit mehr zu erleiden hatten als Herrn Lafontaine oder Herrn Gauweiler, der hat aus der Geschichte nichts, aber auch rein gar nichts, gelernt.

Aber noch viel gefährlicher sind vielleicht die langfristigen, ungewollten Konsequenzen. Wenn breite Teile der Bevölkerung glauben, dass Lafontaine ein Kommunist sei, dann werden diejenigen, die ihn gerne mögen, irgendwann einmal schlussfolgern, dass der Kommunismus ja gar nicht so schlimm sein kann.

Das Problematische an blinden Schimpftiraden und Verunglimpfungen ist also nicht nur, dass sie wirr und unfair sind sondern auch, dass sie allzu oft kontraproduktiv wirken.


Yascha Mounk ist Doktorand in Harvard und Herausgeber des von ihm mitbegründeten Magazins "The Utopian". Als freischaffender Journalist schreibt Mounk für europäische und amerikanische Publikationen wie die New York Times, den "International Herald Tribune", den "Boston Globe", "The Daily", "The National", "n+1", "Dissent" und "Unità".




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18.10.2011 15:34 Homepage von wassermann11 Beiträge von wassermann11 suchen
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Occupy Kinderzimmer Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen       IP Information Zum Anfang der Seite springen

19.10.2011, 12:57 Uhr | Von Alexander Görlach

Vereint Generationen auf der Straße: Die Protestbewegung gegen die Großbanken


Der verkackte Bahnhof taugt nicht mehr für Protest. Die anständigen Baden-Württemberger haben eine grüne Regierung gewählt. Gebaut wird der Bahnhof trotzdem. Geschenkt. Denn jetzt geht es ums große Ganze. Occupy! Nicht nur den Schlosspark, sondern den ganzen Planeten! Der Wutbürger ist wieder am Start, er hat die da oben im Blick: In den Regierungen, in den Hochhäusern der Banken. Der Mob möchte ernst genommen werden und weiß dabei nicht, wie eigentlich alles besser gehen sollte.

Es ist wieder Zeit für Utopien, ertönt es aus Zeltstädten. Die Bewegung einiger weniger Tausend wird zu einer Revolution stilisiert. Es geht den Demonstranten, grob gesprochen, um die ehrbare Forderung nach einer besseren Welt. Bis zur Occupy-Bewegung war noch nicht erahnbar, was Bushido und Joachim Gauck verbindet. Dank der Protestierer wissen wir es: Beide lehnen den Firlefanz ab. Der eine fragt sich, was „die Penner eigentlich wollen“, der andere nennt sie, etwas höflicher als der eine, Romantiker.



Vergiftetes Verständnis der Politik

Weitere seltene Allianzen kommen dieser Tage zustande: Die Bundeskanzlerin und die Grünen-Suse Claudia Roth stehen Seite an Seite, gemeinsam mit dem designierten EZB-Chef Mario Draghi und Finanzminister Wolfgang Schäuble. Sie alle geben zu Protokoll, dass sie großes Verständnis für die Protestierer haben. Geht’s noch!? Als echter Occupyer würde ich mir diese Sympathie-Bekundungen verbitten! Nehmen sie dem Ganzen doch die Würze und den Hauch der Oktoberrevolution, bei der die Paläste, die Bankenhochhäuser und Kanzlerämter unserer Zeit, gestürmt werden.

Die Motive der Politiker sind klar: Indem sie die Occupy-Bewegung in ihrer Haltung gegen die Banken stärken, lenken sie von sich, den Staaten und Regierungen als den Verursachern der gegenwärtigen Schuldenkrise ab. Zudem erhöhen sie den Druck auf die Bankhäuser und hoffen, dass sie den so in die Zwickmühle geratenen größere Zugeständnisse abringen können. Dabei ist unbestreitbar, dass die Regierungen durch ihre Schuldenpolitik die Bonität der Staatsanleihen über die Klinge haben springen lassen.




Wo war der Protest vor drei Jahren als er recht am Platze war?

Die Banken haben darauf vertraut, dass die Staatsanleihen die sicherste Form aller Anlagen ist. Nicht umsonst mussten sie dafür kein Eigenkapital vorhalten. Jetzt in der Schuldenkrise ex post mehr Eigenkapital als Rücklage zu fordern, ist daher böse. Für die Risiko-Kasino-Phantasie-Produkte-Nummer vor drei Jahren hätte man dieses erhöhte Eigenkapital brauchen können. Jetzt haben wir aber keine Immobilien-Krise, sondern eine Krise der Staaten.

Aber zurück zu den Protestierern: Gegen was sind sie eigentlich? Gegen die Banken. Gegen den Kapitalismus. Gegen Ungerechtigkeit. Für Umverteilung. Das eine Prozent soll den 99 Prozent etwas zurück geben. Wie soll das geschehen? Die Schwarmintelligenz wird eine Antwort herausmäandern. Ist die EZB wirklich der richtige Schauplatz, um diese Forderung ins Bild zu setzen? Wohl kaum. Auch wenn es die Regierung ungern hört: Das Kanzleramt oder der Reichstag sind die richtigen Orte dafür, denn hier sitzen die Verantwortlichen der Schuldenmisere.




Revolte zwischen Latte Macchiato und Kinder-Yoga

Und dennoch: Auf Facebook konnte man am Wochenende lesen, wie die Angehörigen der urbanen Mittelschicht (in Deutschland deutlich mehr als 1 Prozent!) ganz aufgeregt schrieben, dass sie jetzt von der Polizei eingekeilt seien und dass es jetzt ganz brenzlig werde. Nein, wie spannend! Es wäre auch sonst ein echt langweiliger Samstag geworden, so mit dem Hund im Tiergarten oder den Bälgern auf dem Kollwitzplatz-Spielplatz.

Die jetzige Protestbewegung muss von den 68ern lernen. Sie propagierten den Marsch durch die Institutionen. Nur in den etablierten Institutionen kann Wandel nachhaltig angeschoben werden. Vor lauter Protestieren sind die Occupier nicht dazu gekommen, die Nachrichtenlage zu verfolgen: China, Indien und Brasilien möchten über den IWF den Euro stützen. Dafür wollen sie natürlich mehr Einfluss in der Institution. Damit verändert sich die Machtkonstellation nachhaltig. Die neuen Mächte möchten mehr Gewicht, der Westen wird Macht abgeben müssen. Der Wandel hat begonnen!




Der Marsch durch die Institutionen hat begonnen

Vom Westen in der Vergangenheit das eine oder andere Mal belächelt, sind die neuen Mächte nun in der Mitte des Geschehens und werden die Geschicke der Welt prägen. Sie werden Verantwortung übernehmen. Auch für die verfehlte Schuldenpolitik des Westens. Sie tun dies, indem sie sich in der etablierten Institution IWF einbringen. Der Protest der Occupier wird verschwinden. Gegen etwas zu sein bringt noch längst keinen Wandel. Es geht jetzt nicht um Umverteilung, sondern um die Übernahme von Verantwortung.

Noch hat keiner am Zaun des Kanzleramts gerüttelt. Warum denn auch? Das kommt den Occupiern nicht in den Sinn. Sie wollen lieber redend die Welt verbessern und sich gegenseitig die Gesichter anmalen. Zurück ins Kinderzimmer mit Euch! In der Humboldt-Universität, der New York University, der Sorbonne und der Sapienza sitzen die jungen Frauen und Männer jetzt in den Bibliotheken, die in wenigen Jahren den Marsch durch die Institutionen beginnen werden. Sie werden einflussreiche Positionen besetzen und keine Plätze. Echte Occupier!


P.S.: Bevor das große Rennen auf mich los geht: Meine Meinung zur Regulierung von Banken können Sie hier lesen. Meine Meinung zur linken Kapitalismuskritik steht hier. Meine Meinung zum Atomausstieg hier, den zu Stuttgart 21 hier. Und: Zur Krise des Parlamentarismus geht’s hier lang. Nur so vorweg für die Krakeeler, die mich als Vasallen des Kapitals und der Herrschenden einordnen möchten.


Alexander Görlach: Der Journalist ist Herausgeber und Chefredakteur von The European. Zuvor war Görlach der Online-Redaktionsleiter des Magazins Cicero und Chefredakteur der BMW-Initiative Club of Pioneers. Seine journalistischen Stationen führten ihn nach New York, London und Rom. Görlach war sieben Jahre lang für das ZDF tätig. Als freier Autor hat Görlach für die FAZ, die Süddeutsche Zeitung und Die Welt geschrieben. Unter anderem war er Pressesprecher der Stiftung des Profifußballers Christoph Metzelder. Der 1976 geborene Journalist ist promovierter Theologe und promovierter Germanist.




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19.10.2011 14:03 Homepage von wassermann11 Beiträge von wassermann11 suchen
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Tja - die unter PS genannten links sind hier nicht direkt anklickbar, kann man aber nachdem man "Quelle" aufgerufen hat, problemlos anklicken und nachlesen.


Und dennoch: Auf mich wirkt das Geschreibsel eher sehr herablassen ... Mob ! ... geht gar nicht.
Aber ein guter Mob ist wohl für die Urheber der Miseren eben jener, der weiterhin alles mit sich geschehen lässt und sein Maul hält ... verstehe ich da so richtig?

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19.10.2011 14:06 Homepage von wassermann11 Beiträge von wassermann11 suchen
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Das Glück dieser Erde … Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen       IP Information Zum Anfang der Seite springen

20.10.2011, 13:04 Uhr | Mensel, Lars

In der Debatte um den Staatstrojaner offenbart sich die Ahnungslosigkeit vieler Politiker


Manchmal überlege ich mir, wie die Bundespolitik aussähe, hätte Karl-Theodor zu Guttenberg sich nicht beim Abschreiben erwischen lassen. Sicherlich hat er es sich niemals träumen lassen, dass ihn ein Plagiat den Job kosten würde. Aber dass die folgende Ministerrochade solch einen Hardliner ans Steuer des Innenministeriums befördern würde, muss im Nachhinein selbst aus transatlantischer Distanz schmerzen. Denn obgleich Innenminister Friedrich erst seit knapp sieben Monaten im Amt ist, hat er in der Zeit den innenpolitischen Rundumschlag geübt: Grenzkontrollen in Bayern, Aufhebung der Anonymität im Internet und nun der Bundestrojaner – der Mann ruht sich zumindest nicht auf seinem Ministerialsessel aus.

Dass Friedrich sich ausgerechnet das Internet als Steckenpferd ausgesucht zu haben scheint, ist mutig, wird doch gerade von dort aus mittlerweile bei all seinen Äußerungen kräftig Kontra gegeben. Da ist es völlig gleichgültig, dass die aktuellen Überwachungsmaßnahmen bereits vor seiner Zeit entstanden, denn es ist Friedrichs Umgang mit der Debatte darüber, was den Protest laufend befeuert. Nun also der Bundestrojaner, den der CCC vor zwei Wochen entschlüsselte. Aufgrund eines Karlsruher Urteils ist dessen Einsatz zwar prinzipiell erlaubt, doch weist er anscheinend solch eklatante Sicherheitsmängel auf, dass er über seinen eigentlichen Auftrag weit hinausgeht – kein Wunder, dass man in der Bevölkerung über so einen entspannten Umgang mit dem geltenden Recht erbost ist.

Bedenklicher ist allerdings, dass die Debatte um den Trojaner mittlerweile zur lupenreinen Schlammschlacht verkommt, die kurioserweise exklusiv auf dem vornehmen Territorium der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ ausgetragen wird. Dort verteidigte Friedrich den Trojaner und bezweifelte selbst, dass dieser tatsächlich in den Händen der Hacker sei. Diese warfen dem Minister daraufhin hämisch vor, eine ahnungslose „Verlegenheitsbesetzung“ zu sein:

Es war ein jämmerliches Schauspiel, das die Innenminister von Bund und Ländern in der vergangenen Woche boten, als sie versuchten herauszubekommen, was eigentlich in Sachen Staatstrojaner in ihrem eigenen Beritt passiert war. Konfusion und Ahnungslosigkeit der Amtsinhaber bescherten der staunenden Öffentlichkeit einen bunten Reigen von sich widersprechenden, inhaltlich fragwürdigen und korrekturbedürftigen Statements. Statt stringenter transparenter Aufklärung gab es Salamitaktik nur schnitten die Minister nicht einmal von derselben Salami.



Man kann Resignation nicht übel nehmen

In der Netzpolitik ist der aktuelle Kleinkrieg aber nur die Spitze des Eisberges. Obgleich eine lautstarke netzaffine Generation heranwächst, wird von der Politik nur selten auf sie gehört. Nicht zuletzt dadurch ist die Hemmschwelle für lautstarken Protest immer niedriger geworden – denn jedes Mal, wenn Politiker trotzig an allem festhalten, fühlt sich der Bürger im Bilde einer Behörde bestätigt, wo dem Bundesminister neben einer Tasse Kaffee bei Dienstbeginn auch ein Ausdruck des Internets gereicht wird.

Gerade weil das Netz in der Lebensrealität vieler junger Menschen eine große Rolle spielt, kann man ihnen die Resignation in der Netzpolitik kaum noch übel nehmen – und von da ist es ein kurzer Weg zur allgemeinen Politikverdrossenheit. Um diese Kluft zu überwinden, bedarf es allerdings mehr als nur kosmetischer Maßnahmen wie einem Twitter-Account für alle. Politiker wie Friedrich, die die vermeintliche innenpolitische Sicherheit über die Sorgen der Bürger stellen, die sie beschützen wollen, machen sich das Leben selbst ziemlich schwer.




Quelle und ganzer Text

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20.10.2011 20:41 Homepage von wassermann11 Beiträge von wassermann11 suchen
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Eine Kurzgeschichte des deutschen Extremismus Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen       IP Information Zum Anfang der Seite springen

21.10.2011, 12:21 Uhr | Ein Kommentar von Jost Kaiser

Gaddafi veröffentlichte 1975 sein "Grünes Buch"


Erst war Gaddafi Prophet des Panarabismus und wollte in dieser Funktion Erbe Nassers werden. Doch für die Araber war die viel beschworene Einheit immer nur Lippenbekenntnis gewesen, eine Sprechblase. Sie waren vielmehr der Meinung Ronald Reagans, der den Oberst einmal als "verrückten Hund" bezeichnet hatte.

Als Gaddafi das herausfand, hängte er sich, wenn er seine Hermann-Göring-Uniform nicht trug, afrikanische Gewänder um. Oder das, was er dafür hielt. Er wollte nunmehr als Anführer des schwarzen Kontinents in die Geschichte eingehen. Ebenfalls ohne Erfolg.

Erfolg hatte er dafür vorhersehbar in einem notorisch verwirrten Milieu, das bis dato noch jeden Diktator gefeiert hatte, wenn er nur zwei Kriterien erfüllte: Er sollte möglichst aus der "Dritten Welt", mindestens aber aus der "Zweiten" stammen und "Anti-Imperialist" sein. 1982, Mao war schon längst out, Luise Rinsers legendäre Nordkorea-Reise, nach der sie das totalitäre Land als Mustersozialismus gefeiert hatte, war auch ein paar Jahre her und Albaniens Enver Hoxha war ebenfalls besungen - da fuhr eine grüne Delegation nach Tripolis. Der neue Held: Gaddafi. Mit dabei: Otto Schily und der "Friedensforscher" Alfred Mechtersheimer, der später ins braune Milieu abdriftete und angeblich eine Zeit lang, wie viele andere, sogar finanziell von Gaddafi profitierte.
Mäandernder deutscher Extremismus

Wenn man heute über diese Reise liest, wird einem der Irrsinn des mäandernden, immer und überall Halt suchenden deutschen Extremismus vor Augen geführt. Die Grünen, damals noch mit der Frage befasst, ob es nicht doch etwas Besseres gäbe als die schnöde bürgerliche parlamentarische Demokratie, waren angefixt von Gaddafis Mao-Bibel, dem "Grünen Buch". Darin hatte der "Wüstendenker" ("Der Spiegel") geschrieben:


"Ein Parlament ist eine Missrepräsentation des Volkes" und "parlamentarische Regierungen sind eine irreführende Lösung des Demokratieproblems". Das fand auch die Grüne Gertrud Schilling: "Die Grünen haben sich zum Ziel gesetzt, die Parlamente abzuschaffen, das heißt, direkte Demokratie zu praktizieren."

Während Schily Gaddafi reserviert gegenübertrat, insbesondere dessen Angebot ablehnte, die deutsche Friedensbewegung zu finanzieren, fühlte sich Mechtersheimer in seiner selbst zugeschriebenen Rolle bestätigt "Sensibilitäten zu wecken. Wir müssen mit den arabischen Kräften zusammenarbeiten".

Die Gaddafi-Connection deutscher Extremisten könnte ein Lehrstück über die Wahrhaftigkeit der Totalitarismus-These sein. Denn nicht nur Linke wurden von Gaddafi angezogen, sondern auch Rechte - durch die gleichen Gaddafi-Thesen und Aktivitäten. Gemeinsamer Nenner: offene (rechts) oder verkappte (grün-links) Faszination für totalitäre Herrschaftsformen, antiwestliche und antiamerikanische Ressentiments.

Dass Gaddafi grundsätzlich wurscht war, ob der, den er unterstützte "links" oder "rechts" war, ein Phänomen, das auch beim "Carlos"-Terror deutlich wurde, zeigte sich schon daran, dass er 1982 frankistische Putschisten in Spanien unterstützt hatte. Und in den Achtzigern unterstützte Gaddafi das nationalrevolutionäre braune Blatt "wir selbst", in dem der rechtsgewendete (oder sich treu gebliebene?) Mechtersheimer schrieb.

Das ist lange her. Oder doch nicht? Unter den Gaddafi-Fans gab es immer welche, die unter dem Motto „Antiimperialismus“ und Antiamerikanismus für die unheimliche Kompatibilität und die Anfälligkeit ganz Linker für ganz Rechts mit braunen Einsprengseln standen. Und einer - mindestens - ist übrig geblieben.

Man weiß nicht, was Jürgen Elsässer, prominentester Vertreter des rotbraunen Anti-Westlertums, angesichts des Todes des großen Anführers des Antiimperialismus heute macht - trägt er Schwarz? Am 21. April schrieb Elsässer in seinem Blog: "Libyen verteidigen heißt JETZT Gaddafi unterstützen!"

Gaddafi - das war eben wie Mao, Kim Jong-Il oder vorher Ho Chi Minh die Geschichte einer wirren, romantisierenden, sehr deutschen Geisteshaltung.


Jost Kaiser war Blogger bei Vanity Fair und kommentierte dort das politische Geschehen im In- und Ausland. Kaiser ist zudem Autor für die Süddeutsche Zeitung, die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, die Zeit und den Tagesspiegel.




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