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Ich trage einen Heiligenschein |
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Ich trage jetzt einen Heiligenschein,
und das trotz meiner atheistischen Erziehung und eigentlich auch Gesinnung, was aber nicht bedeuten soll, dass ich in dieser Frage intolerant wäre. Aber der Reihe nach.
Mein Wohndorf gehörte zu der früheren deutschen Schönhengster Sprachinsel und war bis Kriegsende fast ausschließlich von Deutschen besiedelt. Diese Tatsache ist heute, wo ich der einzige Deutsche (aber nicht gebürtig) hier bin, immer noch Ausgangspunkt relativ sensibler Situationen. Nicht nur allein wegen der Deutschen, sondern sicher auch ein wenig wegen des eigenen schlechten Gewissens der neuen Bewohner. Aber das soll hier nicht Thema sein.
Es ist nicht viel übrig geblieben aus der damaligen Zeit im Dorf. Manches fand auch über geschäftstüchtige Händler nachträglich den Weg nach Deutschland, so einige Skulpturen von der Kirchenmauer usw. Daher habe ich mich voriges Jahr im Frühjahr sehr gefreut, als ich unter einer mächtigen Linde an einem Feldweg zwischen Laub und Ästen den Torso eines alten, mit schönen Reliefs geschmückten Feldkreuzes fand, umgestürzt und arg gebeutelt, aber sonst ein bemerkenswertes Kunstwerk. Das Kreuz war natürlich weg, und außerdem fehlte ein großes Stück des Oberteils. Trotzdem war ich so begeistert, dass ich beschloss, diesen Stein als so eine Art Mahnmal für den menschlichen Unverstand wieder aufzurichten. Nach Klärung der Eigentumsverhältnisse am betroffenen Gründstück legte ich die noch vorhandene Sockelplatte frei, reinigte und imprägnierte sie und versuchte, den Sandsteinblock wieder aufzurichten, was mir wegen seiner Schwere nicht gelang. Gemeinsam mit einem tschechischen Freund schaffte ich es dann mit Flaschenzügen und Brechstangen. Daraufhin schrieb ich einen Artikel mit Fotos in das Dorfblatt, was zur Folge hatte, dass kurz nach Veröffentlichung ein anonymer „Kunstfreund“ das fehlende Kopfstück (sehr gut erhalten, irgendwo vom Boden geholt) mit Edelstahldraht am Torso befestigte. Das erhöhte unerwartet die Chancen für eine völlige Wiederherstellung, und so habe ich mich in diesem Frühjahr an die Fakultät für Restaurierung bei der Uni Pardubice mit der Bitte um Unterstützung gewandt. Die haben sich das angeschaut, als erhaltenswert eingestuft und es einem Studenten als Semesterarbeit übertragen. Trotzdem mussten 14.000 Kronen aufgebracht werden, denn es gab eine Menge an Denkmalschemie und Handarbeit zu bewältigen. Vom Gemeindeamt konnte ich 5.000 Kronen rausschlagen, der Rest musste gesammelt werden. Im August und September hat der Student den Stein restauriert (d.h. entsalzen, geklebt, nachmodelliert, imprägniert und farblich angeglichen), und ich habe vom hiesigen Antiquitätenhändler ein passendes Kreuz mit Jesus spenden lassen, das ich dann sandstrahlen ließ und selbst schwarz und bzw. gold gestrichen habe. Seit Freitag nun ist alles komplett, und wir haben wieder ein richtig schönes Feldkreuz im Ort.
Bloß wenn die Sammlung nicht mehr einbringt als bis jetzt, gehe ich zu Weihnachten am Stock, denn mit dem fertigen Werk habe ich auch die Rechnung übernommen.
Nachtrag 1:
Ganz nebenbei: Selbstverständlich habe ich voriges Jahr den für die Gemeinde zuständigen Pfarrer wegen meines Vorhabens angesprochen. Der hat sich das auch angesehen, mir auf die Schulter geklopft und mich einen guten Menschen genannt. Ich gebe zu, dass mir ein finanzieller Zuschuss mehr geholfen hätte.
Nachtag 2:
Bei einem kleinen Dorffest, das dem bevorstehenden Schulbeginn gewidmet war, sprach mich zu vorgerückter Stunde ein junger Mann an, den ich namentlich kannte, aber nicht als Kontakt pflegte. Er bekannte sich als der „Kunstfreund“ und beschrieb, wie er zu dem Kopfstück kam. Wir haben dann noch ein sehr ergiebiges Thema besprechen und etliche Biere miteinander trinken können.
__________________ Schöne Frauen sind nur mehr oder weniger gut gelungene Kopien eines Ideals.
Hässliche sind dagegen immer ein Original!
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17.09.2006 17:41 |
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Es ist aber noch über eine andere Tat zu berichten.
Von Litomyšl kann ich über zwei Wege in mein Dorf gelangen: Entweder über die Staatsstraße, oder etwas länger, aber Nerven schonender über eine Landstraße und ein Nachbardorf. Letzteres besitzt direkt an seinem Eingang an markanter Stelle eine sehr schöne Mariensäule aus „deutscher Zeit“, die völlig erhalten ist und, nach den vor ihrer Gittertür regelmäßig erneuerten Blumen zu urteilen, auch frequentiert wird.
Aus irgendeinem Anlass hat ein Veranstalter voriges Jahr an eben dieser Gittertür ein weißes Plastschild als Wegweiser zu einer überdachten Tanzfläche in diesem Dorf installiert. Diese Kombination tat den Augen (d.h. den meinigen) richtig weh. Ich dachte mir, das muss doch nach dem Dorfball wieder verschwinden. Tat es aber nicht, und so habe ich dem Bürgermeister zu Beginn dieses Sommers ein paar nette Zeilen zugemailt. Also wie gesagt, ich bin absolut kein religiös fühlender Mensch, aber hier ging es einfach um den guten Geschmack und das Aussehen des Dorfes. Antwort vom Bürgermeister gab’s nicht, aber das Schild war drei Tage später weg. Ich habe mich noch per Mail bedankt, aber wieder ohne Antwort. Macht nichts, ich bin darauf nicht scharf, Hauptsache Ziel erreicht.
Ist euch das jetzt klar mit dem Heiligenschein?
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Hässliche sind dagegen immer ein Original!
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17.09.2006 17:59 |
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Pikantje
Reisende
Dabei seit: 27.07.2001
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17.09.2006 20:26 |
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Pikantje
Reisende
Dabei seit: 27.07.2001
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Zitat: |
Original von Foreigner
Na klar, die Gelegenheiten sind mir schon bekannt, aber es hilft nix, in der Kneipe von den Anwesenden jeweils 5 oder 10 Kronen zu kriegen. Um Bewegung in die Sache zu bringen, muss schon eine dreistellige Zahl kommen. Die betreffendenn Leute müssen einzeln angesprochen und dann gemahnt werden. Andererseits, ich gestehe es ungern, ist mir das Betteln sehr unangenehm. |
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Aus unserer Sicht: die Summe ist vermutlich bei Euch viel höher als hier (unterschiedliches Preisniveau und so) nehme ich mal an. So daß ein dreistelliger Betrag richtig viel Geld ist für den Angesprochenen.
Ich kann nur von hier berichten: mein Arbeitgeber (Kreditinstitut) beteiligt sich des öfteren als Sponsor an derartigen Ereignissen (Geld, direkte Beteiligung durch Mitarbeiter oder auch indirekt in Form von Werbung). So z. B. Sportfeste aller Arten, Stadtfeste, Weihnachtsmärkte, Kunst, Kultur etc. Eine derartige Eigeninitiative, die zur Verschönerung des Ortes beiträgt und so viel Einsatz verlangt hat, würde vermutlich auch mit einem Sümmchen bedacht. Gibt es sowas vielleicht bei Euch auch? Den örtlichen Bank-/Sparkassen(?)-Chef kennst Du doch bestimmt auch. Auf der Schiene läßt sich einiges bewerkstelligen.
Ob Du vielleicht sonntags nach der Kirche mal um eine kleine Spende bitten darfst? Nach dem Klingelbeutel natürlich ...
Zitat: |
Es wird so werden, wie du sagst. Der Heiligenschein wird aus aneinander geknüpften Geldscheinen bestehen.
Trotzdem, unter dem Strich bleibt ein sehr gutes Gefühl. |
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Ein schöner Heiligenschein! Und Du scheinst ja auch Spaß an der Sache zu haben. Ob wir vielleicht mal ein Bild von dem Kunstwerk sehen können?
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17.09.2006 21:13 |
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Kiliani
Gast
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19.09.2008 20:31 |
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