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Thorsten Wember
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Festival Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen       IP Information Zum Anfang der Seite springen

Nachwort vorangestellt. Wie immer will ich den armen Leser nicht mit meinem langen Geschwafel belasten. Wer grad keine Zeit hat, scrolle zum Ende und lese das Fazit. Das genügt auch.

---

Bei der Schlacht im Teutoburger Wald soll es ja hoch hergegangen sein und das Wartburgfest von 1830 ist auch noch nicht ganz vergessen, aber die Geschichte der Festivals beginnt ja wohl ernsthaft mit Woodstock. Jedenfalls im kollektiven Bewusstsein meiner Generation.

In unseren schönen Zeiten, wo die Menschen immer mehr den Bezug zur Realität verlieren, schickt sich von Zeit zu Zeit immer mal wieder ein Einzelner oder ne kleine Gruppe an, viele Einzelne oder viele Gruppen an einem Haufen zu versammeln, damit die vielen den wenigen beim Musizieren lauschen dürfen. Nennt sich Festival, und ich hab jetzt auch eins mitgemacht.

1998, da war ich herrliche 16 Jahre alt und noch wesentlich idealistischer eingestellt als heute, habe ich unaufhaltsamen Kontakt mit den Böhsen Onkelz gemacht. Krawall und Gegröle - natürlich nix für einen Feingeist wie mich. Aber wer hält schon einen zweiwöchigen Urlaub mit seinen Freunden unbeschadet aus, wo jedes zweite Lied von den Onkelz ist und nicht ein einziges Mal eine Sinfonie von Mahler oder auch nur ne Platte von Sinatra aufgelegt wurde. Ich wurde von der Melancholie und von der Feierlaune der Lieder angesteckt und bald gefielen mir die Onkelz auch, wenn ich nüchtern war.

(Bis zum heutigen Tag weiß ich keine geilere Abrockmucke als Jeanette Biedermann - allerdings geht die nur, wenn man schon ziemlich im Tee ist. Die Biedermannstory erzähle ich aber bei Interesse später mal.)

So ungefähr 5 Konzerte hatte ich dann von den Onkelz in meiner Zuschauerlaufbahn mitgemacht, darunter auch das Halbfestival in Ferropolis ("Stadt aus Eisen"), wo so ungefähr 30.000 Mann anwesend waren, aber das war auch nur ein Einzelkonzert. Die Onkelz hatten ihr Ende bekannt gegeben und 2004 ne schöne Abschiedstournee gemacht und wollten sich nun mit einem Paukenschlag auf dem Lausitzring (einer Autorennstrecke) verabschieden.

Die Rahmenbedingungen:
- 100.000 Karten verkauft (am Ende waren wohl 140.000 Fans anwesend, man kennt halt Mittel und Wege)
- Mittwoch 8.00 Uhr Eröffnung des weiträumigen Geländes
- Mittwoch 8.00 Uhr Öffnung zweier "Supermärkte" - rund um die Uhr
- Mittwoch - Samstag 15-6 Uhr Konzerte in 2 Partyzelten von Onkelz-Coverbands
- Freitag 15-22 Uhr Vorbands auf dem Konzertgelände (innen auf dem eigentlichen Lausitzring)
- Freitag 23-2 Uhr Böhse Onkelz 1980-1992,5
- Samstag 15-22 Uhr Vorbands auf dem Konzertgelände
- Samstag 23-2 Uhr Böhse Onkelz 1992,5-2005
- Sonntag 15 Uhr Schließung des Außenbereichs, bis dahin musste man also weg sein

Mehrere relativ gute Bekannte wollten zwar auch dahin, aber der enge Freundeskreis, der dann auch gemeinsam fuhr, bestand aus 6 Leuten, Männern versteht sich. Da ist ein Unverbesserlicher dabe, der wollte schon am Mittwoch anreisen, wir Gemäßigten, waren eher für Freitag (klar), wollten aber nicht als Weicheier gelten. (Ohne Tattoos und Glatze fiel man aber sofort als Weichei auf.) Kompromiss, Donnerstag nach dem Mittagessen gings los. 2 Stunden haben wir von LE bis dorthin gebraucht (Südbrandenburg), aber es waren Onkelzfans mindestens aus dem ganzen deutschsprachigen Raum da, dazu noch aus Frankreich, Holland, weißderGeier. Dort wurden Parkplätze und Zeltplätze getrennt zugewiesen und nach einer Stunde Warten - der Rückstau stand bis auf die Autobahn *yeahgröl* - waren wir auch schon auf unserem Parkplatz. Dort waren, scheint mir, schon mindestens 6 Millionen Menschen anwesend. Der absolute Wahnsinn - und kein bisschen Schatten in Sicht.

Unser Zeltplatz hatte dann einen interessanten Untergrund (die Wiese war schon voll). Ihr kennt diesen Schotter, ich meine diese ziemlich dicken Steine, die zwischen den Eisenbahnschienen der ganzen Welt vor sich hin brüten? Genau die waren mein ständiger Begleiter bis zum nächsten Sonntag. Je nun. Wir hatten 5 Zelte mit (sicher ist sicher) und bauten denn vier davon auf. In dreien pflanzten wir uns nieder, das vierte nutzten wir als Matkammer - liebe Frauen, das bedeutet Materialzelt.

Ich bin der Grillmeister der Runde und hab dann erstmal den Grill aufgebaut und ein paar Würste schmackhaft gemacht. Eigentlicher Plan der Veranstalter war, kein offenes Feuer zuzulassen, aber auch gar keins. Man hatte aber vor einem Monat ein Einsehen und ließ das Grillen doch zu. So gestärkt erwarteten wir die einbrechende Nacht und machten erstmal eine Runde, eines der Sanitärzelte zu suchen, wo es Duschen und richtige Klos geben sollte.

Auf dieser Runde sah ich dann alles, was mir als unwahrscheinlich und außergewöhnlich vorschwebt. Deutschland muss sehr reich sein, denn die Leute dort lebten in Saus und Braus. Von dem "Böhse-Onkelz-Bier" (Dose für 2,50) kaufte einer eine Palette. Aber nicht so eine normal für 60 Euro, sondern eine ganze Palette, die Arbeiter werden mich verstehen. Er zahlte die 4.500 Euro in bar! Eine Gruppe von 10 Leuten hatte 12 Fässer Bier bei sich, überall hörte man Stromaggregate, Pavillonzelte, Bänke, Tische, Stühle, Armeezelte, Grills - es war alles da. Einer hatte sogar seinen PC mit dabei (ich schwör!) und sein Kumpel ging soeben vom Monitor weg, stellte sich etwa 2 Meter neben das Zelt mitten in die Pampa und fing an zu pissen. Einfach so, er machte sich nicht mehr die Mühe, an einen Graben oder an eine Leitplanke zu gehen - er muss wohl schon seit Mittwoch dagewesen sein. Natürlich zog das einige Blicke auf ihn, doch er lallte vergnügt: Ja, ich hab vielleicht nicht den Längsten, aber den ****sten. Wir stritten dann darüber, ob er Dicksten oder Nassesten gefaselt hatte, es war nicht zu verstehen.

Unglaublich, aber wahr, neben den vielen Dixis allüberall gab es sieben Sanitärcamps (davon eines bei uns - für etwa 10-20.000 Leute).

---

Jetzt wurde ich unterbrochen, so ein Ärger. Wo war ich?
Wir erwarteten also den Abend, um ein wenig in einem der Partyzelte abzufeiern. Ein, zwei Bier hatte man sich gegönnt, dann griff ich doch noch zu ner Pulle Wein – Qualitätswein mit Schraubverschluss versteht sich – man lebt nur einmal und der morgige Tag würde bestimmt nicht meine volle Konzentration verlangen.

Heiter ging es also ins Partyzelt und da mischten wir uns ein wenig unter die Poger. Kleine Anmerkung für die Älteren. Pogo ist der gesellschaftliche Ersatztanz für Ringeltanz, Shake that Boogie oder Twist, je nachdem, womit ihr aufgewachsen seid. Beim Pogo springt man bei möglichst sinnloser oder schneller, lauter Rockmusik in einem Kreis herum, der wiederum aus der Masse drumrumstehender Konzertbesucher, welche nicht mitpogen wollen, gebildet wird. Ziel ist es, andere Teilnehmer zu schubsen und gegen sie zu preschen, gerne auch mit vollem (totalem) Körpereinsatz. Brillen gehen bei solchen Aktionen reihenweise kaputt. Dass nicht auch Körpergliedmaßen zertrampelt werden, ist ein echtes Wunder. Aber es gibt eine erstaunliche Kollegialität. Sobald einer der „Tänzer“ stürzt, hat er sofort drei schützende Leute um sich rum und steht eher wieder, als er gemerkt hat, dass er gefallen war. Trotz durchschnittlich 2 Promille Alkohol bei den Teilnehmern. Aber tanzen und singen (na ja) baut Testosteron ab und die Atmosphäre ist für diesen Menschenschlag wirklich ausgesprochen friedlich.

Gleich nach Mexiko war mir dann auch warm, und schwups wars Zwölfe, wir zählten geil den Countdown runter und Thorsten Wember war 23 Jahre alt. Schon rasselte das Telefon, aber in diesem Zelt waren etwa 115 Dezibel, ich verstand kein Wort. Ich schrie nur in mein Handy rein: Wer auch immer jetzt hier anruft (Nummer mir unbekannt), ich danke dir, vielen Dank. So.

Wir also mal raus aus dem Zelt und meine Kumpels schenkten mir eine Dose vom Böhse-Onkelz-Bier, alles Gute zum Geburtstag. Das nennt man Größe.

Ich habs dann dabei bewenden lassen und mein lauschiges Bettchen aufgesucht. Dummerweise besitze ich keine Isomatte. Also hatte ich nur meinen Schlafsack und den Zeltboden zwischen mir und den Blauefleckenmachern, es war eine grauenhafte Nacht. Um 5:15 Uhr wachte ich auf, es war taghell. Von überall her grölten mir Onkelzlieder in die Ohrenmuscheln, von unten drückte die Blase. Also entschloss ich mich, mal die Lage zu checken und den Sanitärbereich aufzusuchen, denn die Dixis waren alle besetzt (zum ersten und einzigen Mal, sonst war da immer Platz). Diese mobilen Container im Sanitärbereich waren um diese sinnlose Zeit nicht gut besucht. An den Duschen (jawohl) stand niemand an, an den Klos eigentlich auch nicht. Zurück am Zelt gingen die Nachbarn von grade rüber gerade ins Finale und ich noch mal schlafen. Noch nie habe ich so eindrucksvoll, so laut und so – männlich das Lied Heilige Lieder gehört. Im Anschluss gaben die Jungs noch mal alles, die Stunde des Siegers stand an. Darin heißt es: „Die Stunde des Siegers / kommt für jeden irgendwann / oooooho / Stunde des Siegers nutze sie / zeig ihn’n wer du bist / spuck ihn’n ins Gesicht / ins Gesicht.“ Beim letzten „ins Gesicht“ gibt der gemeine Onkelzfan noch mal alles. Aber die Jungs da drüben kotzen sich dabei richtig aus. Ich werde es meinen Lebtag nicht mehr vergessen und das bleibt für mich der eindringlichste Moment des ganzen Wochenendes: Spuck ihn’n ins Gesicht – INS GESICHT!!!


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peng

23.06.2005 23:10 Email an Thorsten Wember senden Homepage von Thorsten Wember Beiträge von Thorsten Wember suchen
Thorsten Wember
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Hach ja. So bald nach 8 wurde es unerträglich wärmer. Ich kletterte aus dem Zelt und sah verwundert um mich. Obwohl es so klang, war kein Mensch in unmittelbarer Nähe. Mein Blick fiel auf die Jungs gegenüber. Die Hälfte schlief in Stühlen, weigerte sich aber offensichtlich, ins Bett zu gehen, solange noch einer weitermachte. Das Singen hatten sie eingestellt, aber zwei tranken noch Bier. (Kommt noch besser.) Einer hatte die Nacht außerordentlich gut überstanden, sehnte sich jetzt aber nach ein bisschen Schmusen. Oder wie sollte ich seine Schreie sonst deuten? Er brüllte, laut genug, dass der Umkreis von 40 Metern im Bilde war, an das Zelt direkt neben sich schlagen: „MEINE SCHEIDE, KOMM RAUS MEINE SCHEIDE.“ Wer wollte da nicht seinen laschen Umgang mit Frauen hinterfragen?

Das Frühstück fiel männlich aus. Eine „Streiche“ (ne Rama halt oder so wat) hatten wir nicht dabei, ein Glück. Also kamen Käse und Wurst direkt aufs Toast, das nährt seinen Mann. Ein Glück war aus unserem Freundeskreis die Doppelkopfrunde vollständig anwesend und so spielten wir erst mal zwei Stunden. Seit Sommer 2001 (glaub ich) wird penibel aufgeschrieben, wir haben inzwischen fast 3000 Spiele geschafft. Zu Schulzeiten hatte ich es mit einer anderen Gruppe auf ungefähr 1500-2000 Spiele gebracht. Der Tag war also erträglich, die Sonne schien nicht. Einige beschwerten sich über den Sommer, ich wurde philosophisch. Erstens beginne der Sommer in 4 Tagen, zweitens hat man, wenn man wie ich an einem 17. Juni geboren ist, keinerlei Illusionen über das mittjunierliche Wetter. Einmal im Jahrzehnt ist mein Geburtstag schön. Das steht in diesem (namenlosen) Jahrzehnt aber noch aus.

Nach dem kalendarischen Mittag beschlossen wir, mal kurz rüber zum Konzertgelände zu gucken. Da gibt’s nen Funpark, also los. Wir brauchten fast eine Stunde bis hin, da man uns über den ganzen Lausitzring einmal rum schickte, bis wir vor der Bühne waren. Ächz. Dort setzte es gleich also ne Portion Fritten. L. meinte, die Dixis dort wären neu ganz neu und würden nach Kirsche riechen. Ich hab mich trotzdem nicht davon überzeugt. Wenn du Leser dich jetzt wunderst, warum es hier so viel über Klos zu sagen gibt, dann bist du eine Frau und verstehst es eh nicht. Also weiter. Ein paar nette Spielereien waren hinten links aufgebaut. Sumoringen, Hüpfburg, Kletterturm, Bullenreiten und – Bungeespringen. Man würde das ja mal probieren, schließlich war das für umsonst und auch nur 60 Meter hoch, aber es gab ne Liste, in die man sich einschreiben musste. Aktuell konnte man sich für den nächsten Tag 14 Uhr anmelden. Arsch offen.

Der Tag war wie gesagt ungemütlich, also gingen wir bald zurück, wieder eine Stunde. Es wurde zum Abend hin wieder gegrillt und getrunken, ich hielt mich etwas zurück, denn auf so einem Konzert kann man schon mal gewaltig dehydrieren, wenn man an der falschen (richtigen) Stelle ist. Und ein klarer Kopf ist da auch manchmal hilfreich. Ich glaube, 20:43 Uhr waren wir wieder auf dem Konzertgelände. So ein Warten vor dem Konzert ist unendlich öde, man wird mich verstehen. Es spielten gerade Motörhead ihre letzten Takte. Es folgten die Jungs von Machinehead und die zelebrierten 45 Minuten lang einen grauenhaften Scheiß, dass sich Atonalitätsguru Schönberg noch im Grab umgedreht hätte. Die Amis nutzten die schöne Gelegenheit, endlich mal ungestört fluchen zu können, ihr Fucker und sangen ihre shitfucked Lieder mit fuck als jedem zweiten Wort, damned. Glücklicherweise kündigten sie auch immer ihre Titel an. „And now wie play a damned song, it’s called Aaarghh Oooorgh.“ Nix verstanden und los. Die siebenminütige Nummer endete und der nächste Titel an der Reihe. „Fuck ist ooooaaaarrrh.“ Wir hatten endlich Stoff zu streiten. Ich hatte Fuck ist law verstanden, einige aber rar und auch war würde wohl semantisch Sinn machen. Wahrlich grauenhaft so ein Warten aufs Konzert. Endlich nieselte es auch noch.

Bei den Böhsen Onkelz, besonders bei uns in der Zone, hat sich eine schöne Tradition breitgemacht, die nicht unumstritten ist, aber in der Hauptsache Zustimmung findet. Logo, wo mehr als 100 Männer zusammen kommen, benehmen sie sich wie Wilde und 5000 Jahre Kulturgeschichte sind verschwunden. Typen nehmen ihre Freundinnen auf die Schultern und nachdem die letzte Vorband weg ist und der Hauptact aufgebaut wird, suchen die Kameras (es gibt Videowände, dort waren es 8 Stück) eben diese Mädels. Sobald sie sich auf der Leinwand sehen, reißen sie ihre Oberbekleidung hoch und lassen sich, das heißt, ihre Titten feiern. Ziemlich billig, finden einige, aber es erfüllt seinen Zweck, es heizt die Massen besser an als jede Vorband. Krönung war ein Kerl, der auf ein Absperrgitter geklettert war und, sobald er on air war, seinen Schwanz rausholte und ihn unter frenetischem Beifall zur Schau schüttelte. Aufgrund des schlechten Wetters waren es ungefähr 40 Mädels, die sich so präsentierten, einige doppelt. Nur die allerwenigsten verweigerten sich.

Irgendwann setzte Musik ein, die Onkelz spielten. Doch die Fans gingen nicht volle Kanne mit (wie man es gewohnt ist), sondern verhielten sich ziemlich zurückhaltend. Im ersten Block, der natürlich zu meiden war, ging es aber voll ab und die Sanis waren logischerweise im Dauereinsatz. Die Musik war für ein Rockkonzert auch ziemlich leise, wir konnten uns fast problemlos noch unterhalten. Dennoch, 50.000 Menschen vor sich und 50.000 Menschen hinter sich zu sehen, an den richtigen Stellen alle die Arme nach oben, das hat schon was. Wir feierten also ordentlich und ließen uns nicht von einigen Schlafmützen um uns rum stören. Halb 2 und nach 27 Liedern ging es recht emotionslos und abrupt zu Ende. Ein schöner einstündiger Heimweg stand an, verbunden mit der Vorfreude auf Steiniges. Ich bin aber schon wesentlich besser in den Schlaf gefallen, die Müdigkeit grassierte.

Die Nacht verlief etwas ruhiger, an vernünftigen Schlaf war trotzdem nicht zu denken. Die Sonne wärmte rechtzeitig das Zelt wie am Morgen zuvor, doch heute sollten keine Wolken aufziehen. Ich bin so ein blöder Hauttyp, ich hatte mir sogar an dem bewölkten Vortag nen leichten Sonnenbrand geholt. Also ordentlich eingecremt den ganzen Tag, was dann das Schlimmste verhinderte. Am Vortag waren wir gegen 10 mal zu den Duschen gegangen und gaben das Vorhaben aufgrund der wahnsinnig langen Schlangen wieder auf. Nun hatte aber der Ältestenrat beschlossen, dass geduscht werden soll, also nahmen wir auch das auf uns. War schon ganz okay. L. sah auch glücklich aus, er sagte, seine Haare seien schon ganz fettig gewesen. Er hat Geheimratsecken bis zum Nordpol und Haarlänge 1,0 cm. Bei so was gerate ich ins Lächeln ...

Der Samstag wurde heiß und blöd. Wir schafften nur drei Spiele, dann wurden wir unterbrochen. Hinten links machte eine lustige Gruppe auf sich aufmerksam. Offensichtlich musste einer der Jungs sein Fahrzeug umparken (wen interessieren hier schon Gründe). Jedenfalls hatte wohl der andere Kerl, der im Stuhl schlummerte, den Schlüssel. Also ging Typ 1 hin, beugte sich über Typ 2 und brüllte ihn mit voller Kraft an: „DEN SCHLÜSSSEELLLLL!!!“ Typ 2 reagierte – überhaupt nicht. Zweiter Versuch, dritter Versuch, vierter Versuch, die Luft ging aus. Endlich wurde gerüttelt. Typ 2 schien zu Bewusstsein zu kommen, wehrte sich aber noch immer nicht. Das Rütteln geriet stärker, Typ 2 stürzte um, wurde wieder aufgestellt (im Stuhl!). Typ 1 verlor die Geduld, er füllt den Supersoaker (Spritzpistole) mit Bier und spritzte seinen Kumpel damit voll. Jetzt setzte bei dem Notfallplan B ein. Er versuchte zunächst, den Bierstrahl wie eine lästige Fliege zu verscheuchen, stand dann auf, doch das half auch nix. Sein Gehirn funkte: Ab ins Zelt. Er wankte also den Meter zu seinem Zelt, bekam den Eingang nicht auf. Vom Gehirn kam nix mehr, und so stürzte er einfach auf sein Zelt. Geiles Schauspiel. Typ 1, noch nicht am Ziel, stürzte sich hinterher, die Zeltstangen kurz vorm Bersten. Typ 1 steht wieder auf, da kommt ein Mädel der Gruppe und quiekt: „Passt auf das Zelt auf.“ Weiber! Typ 1 nun in Rage. Er zieht Typ 2 an den Stiefeln vom Zelt runter über den Schotter! Der wohl in Schmerzen, steht wieder auf und setzt sich erneut in den Stuhl, stets begleitet von dem Leitmotiv: „DEN SCHLÜSSEL!“ Supersoaker mit Bier nachgeladen, ne Buddel Desperados geext und irgendwo kaputtgehauen und weiter ging es für Typ 1. Typ 2 nun schon klarer von der erneuten Dusche wurde sauer. Er sprang auf und wollte Typ 1 ans Leder. Die Verfolgungsjagd wurde nicht lang, wie man sich denken kann, denn unebener Boden, Zeltsreben allüberall und totale Besoffenheit sind zuviel des Guten. Wie eine Bahnschranke fiel Typ 2 ungebremst hinter einem Zelt auf den blanken Schotter. Doch der liebe Gott hat ein Einsehen mit kleinen Kindern und Betrunkenen, ihm ist nix passiert. Die Streithähne beruhigten sich in der Folge etwas, aber den Schlüssel hat er nie rausgerückt. So was von geil besoffen.

Es näherte sich 18 Uhr, wir grillten erneut. 18 Uhr spiele Deutschland, das Spiel sollte irgendwo auf Leinwänden übertragen werden. Doch im Partyzelt wurden wir abgewiesen und so machten wir uns halt aufs Konzertgelände auf, doch auch da gabs nix. Ich döste (das heißt, ich langweilte mich) eine Stunde auf der Bungeewiese (wie weich sich’s dort liegt), dann wurde chinesisch gegessen. Dem Alkohol hatte ich auch an diesem Abend weitgehend abgeschworen, es war auch so anstrengend. Augenzwinkern

23.06.2005 23:11 Email an Thorsten Wember senden Homepage von Thorsten Wember Beiträge von Thorsten Wember suchen
Thorsten Wember
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Rose Tattoos spielten. Der Sänger, ein kleiner Tunichtgut in einem weißen Strampelanzug packte seine ganze Philosophie aus. Sie sangen viel von Rock and Roll und nach einem Lied sagte er den Fans: Yeah, and now you begin to feel it. Dabei hatte er so eine ganz hohe Stimme, mit der er auch die Lieder sang. Mir gefiel er irgendwie. Auch sein Bassgitarrist war eine Augenweide. In einer kurzen Schlumperhose und einem XXXXL-T-Shirt bewegte er sich so gut wie gar nicht. Was für ein Riesenbauch! Und drunter noch die Gitarre gehalten, mei, das gibt bestimmt Rückenschmerzen. In den Liedpausen ging er zu den Drums, wo er eine Flasche Whiskey (!!) platziert hatte, aus der er nach jedem Lied einen ordentlichen Schluck nahm. Ich dachte, ich bin doch wirklich ein Würstchen gegen den. Der Sänger meinte dann auch zu allen: Yeah, now you have a meaning of it. Feine Kerls!

Die nachfolgende Vorband war wieder Schrott. Nach und nach versammelten sich fast alle Freunde wieder bei uns in der Mitte. Um 12 hatten sie angefangen Bier zu trinken, und, als das alle war, den Wein vernichtet. Als dieser alle war, ging es mit Bier vom Veranstalter weiter. Mitsamt dauernder Sonne ein interessanter Cocktail. Aber alle haben es heil überstanden und bis auf einen auch den sinnlosen Plan aufgegeben, ganz vorne mit reinzuhalten.

Gegen 1 Uhr begann die etwas rührselige Verabschiedung. Die Onkelz trennen sich nach 25 Jahren und es ist auch besser so. Sie spielen nicht mehr gut (live) und der Sänger hat fast keine Stimme mehr. Dennoch weinten gestandene Mannsbilder wie Schlosshunde vor dem letzten Lied. In ungeschlagenen Reimen heißt es da „Die Zeit ist ein Dieb / sie nimmt sich was sie kriegt.“ 100.000 Mann gingen auf die Nie und riefen „Wir danken euch, wir danken euch.“ Zugegeben, da kann es einem schon die Sprache verschlagen, wenn man viel Persönliches mit dieser Band verbindet. Doch auch diese Nacht ging zu Ende. Und es wurde noch besser geschlafen, die Erschöpfung halt.

Sonntag. Nach dem Frühstück, wo die Reste vernichtet wurden, fuhren wir relativ schnell ab. Halb 11 vielleicht. Dort offenbarte sich dem sinnlichen Betrachter eine unwahrscheinliche Welt. Dort waren 2x 6 Bierkästen mit leeren Flaschen übereinander gestapelt, herrenlos. Dort war ein Zelt zusammengefaltet und in die Ecke geschmissen – also weggeworfen. Dort schlief ein Pärchen auf einer Decke, ringsherum nix mehr. Da, da hatte jemand in die Steilkurve gekackt. Zeltabdrücke waren durch umliegenden Müll auszumachen und ein endloser Stau wartete auf Gelegenheit, die Autobahn zu erobern. Wir vertrieben uns die Zeit damit, die Lieder zu singen, die wir rund um die Uhr gehört hatten, und die uns nun seit einigen Jahren fortwährend begleiten.

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Fazit:

Wahnsinn, ein Festival. Sollen wohl also doch 140.000 Leute dagewesen sein, ich kann es nicht beurteilen. Es war das totale Chaos, aber es war endgeil. Die Erinnerung verklärt das natürlich schon. Dort war es oft genug anstrengend, langweilig und eine Zumutung.

Aber in jeder Hinsicht hemmungslose Männer, sich benehmend wie Affen, rund um die Uhr Krach und Gegröle, das ist doch ne Erfahrung. Ebenso wie der sinnlose Massenkonsum, nicht nur an Bier. Was dieser Menschenmob da an Geld rausgeschmissen hat, das ist der blanke Wahnsinn. Oder kauft ihr euch ein Zelt und schmeißt es nach nem Wochenende weg? Dort absolut kein Einzelfall.

Da können die Deppen auf der Wartburg 1830 unmöglich mitgehalten haben. An Woodstock haben wir aber definitiv nicht rangereicht. Aber krass war’s doch.

23.06.2005 23:11 Email an Thorsten Wember senden Homepage von Thorsten Wember Beiträge von Thorsten Wember suchen
observerbb
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Dabei seit: 02.10.2001

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ein kleines Dankeschön für den nachgereichten "Fremdgenuss". es werden Erinnerungen an "alte, eigene Zeiten" wach ....

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Bigbrother? - never heard of

24.06.2005 10:33 Email an observerbb senden Beiträge von observerbb suchen
Drüüde
Küchenfee



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man kann von glück schreiben, wenn bei jeder festivität, auf die es einen NIE freiwillig hinverschlagen würde, ein herr wember vor ort war.
ich wette, die story hat mir 1000 mal besser gefallen als es diese schlammschlacht rl je tun würde. großes Grinsen

tnx. Daumen hoch

24.06.2005 13:28 Email an Drüüde senden Beiträge von Drüüde suchen
what a pitty
Administrator



Dabei seit: 23.06.2001

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Zitat:
Original von observerbb
ein kleines Dankeschön für den nachgereichten "Fremdgenuss". es werden Erinnerungen an "alte, eigene Zeiten" wach ....



da schließe ich mich doch glatt an ... pfeifen

24.06.2005 17:02 Email an what a pitty senden Homepage von what a pitty Beiträge von what a pitty suchen
flitzer
Seepferdchen



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Tolle Story, Herr Wember Daumen hoch Wenn ich mal fragen darf, wie teuer waren die Karten?

Und hoppla. Wer könnte die Thematik der Bedürfnisanstalten besser verstehen als wir Frauen, wo gerade wir doch nicht überall so ungeniert unser Geschäft erledigen können...oder wollen?! Augenzwinkern


Als ich den Erlebnisbericht gelesen habe, kamen mir ein paar Gedanken, denn ein Festival dieses Ausmasses habe ich bis heute nicht besucht. Das grösste war, unter ca. 80.000 Fans, Pink Floyd zuzujubeln...allerdings eingefercht in ein Stadion...und auch nur für ca. 3 Stunden...

Ein kleines Zelt, samt Isomatte und Schlafsack kaufte ich mir erstmals dieses Frühjahr, denn einige Meisterfeiern zwangen mich dazu. Augenzwinkern Bis dato kannte ich dieses Gefühl nicht, völlig gerädert in einem stickigen Minizelt aufzuwachen, dem die aufgehende Sonne schon mächtig eingeheizt hat. Ich weiss nicht, ob es am Alkohol des Abends davor lag, oder an meinem Alter. cool Jedenfalls bin ich um diese Erfahrung reicher und vielleicht schaffe ich es nun doch noch zu einem der grossen Festivals.

Jedenfalls habe ich dieses Jahr schon mit dem Gedanken gespielt, da Live Aid nach zwanzig Jahren, in Neuauflage, u.a. auch in Berlin stattfinden wird. Als Kind der Achtziger war das damalige Spektakel natürlich ein Muss und wir hingen Stunde um Stunde am Bildschirm und hätten sonst was darum gegeben, in den Stadien in England oder USA mit dabei zu sein.
Dieses Jahr wäre es natürlich kein Problem gewesen, aber just genau am 2. Juli werde ich mich nach 20 Jahren mit meinen Schulkameraden treffen, mit denen ich damals Live Aid verfolgt habe (natürlich nicht mit allen). Aber ich denke, es wird sicher an diesem Abend Gesprächsthema sein und vielleicht gibt es ja sogar in der Kneipe wo wir feiern werden eine Möglichkeit, das Ganze ein bisschen zu verfolgen und in Erinnerungen zu schwelgen. smile

24.06.2005 23:30 Email an flitzer senden Homepage von flitzer Beiträge von flitzer suchen
HiSpeed
Forenkaterherrchen

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Hallo smile

Wollt ihr mal ein Festval besonderer Art zu besuchen kann ich euch dieses empfehlen.

hier

Nicht nur die Temperaturen erzielten am Samstag, dem 2. Tag des Donauinselfestes, eine Rekordhöhe, sondern auch die Besucherzahl: 1,2 Millionen BesucherInnen sind bei brütender Hitze auf die Insel gekommen.


ich denke alleine diese Zahlen lassen euch vorstellen was sich dort abspielt Augenzwinkern

winken

26.06.2005 11:18 Email an HiSpeed senden Beiträge von HiSpeed suchen
Thorsten Wember
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Die Karten haben 70 Euro gekostet, waren aber nach 2, 3 Wochen ausgebucht. 80.000 Leute standen bis zuletzt auf Wartelisten.

26.06.2005 12:33 Email an Thorsten Wember senden Homepage von Thorsten Wember Beiträge von Thorsten Wember suchen
observerbb
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Dabei seit: 02.10.2001

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Zitat:
Original von HiSpeed

Nicht nur die Temperaturen erzielten am Samstag, dem 2. Tag des Donauinselfestes, eine Rekordhöhe, sondern auch die Besucherzahl: 1,2 Millionen BesucherInnen sind bei brütender Hitze auf die Insel gekommen.


ich denke alleine diese Zahlen lassen euch vorstellen was sich dort abspielt Augenzwinkern

winken


manno, 1 Sonne und 1.2 Mio Öfelchen ..... ein Massenbraten

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Bigbrother? - never heard of

27.06.2005 11:28 Email an observerbb senden Beiträge von observerbb suchen
observerbb
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Zitat:
Original von Thorsten Wember
Die Karten haben 70 Euro gekostet, waren aber nach 2, 3 Wochen ausgebucht. 80.000 Leute standen bis zuletzt auf Wartelisten.


und Du hast die Karten zu dem Preis bekommen???

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Bigbrother? - never heard of

27.06.2005 11:28 Email an observerbb senden Beiträge von observerbb suchen
Thorsten Wember
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Äh, ja, zu welchem denn sonst?

27.06.2005 13:01 Email an Thorsten Wember senden Homepage von Thorsten Wember Beiträge von Thorsten Wember suchen
 
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