Unabhängig von allen Kinos dieser Welt hat mir ein Freund, der mit Literaturwissenschaft rein gar nichts zu tun hat, ein Buch empfohlen. Ein Kommilitone bestätigte mir unter der Woche, dass es gar nicht verkehrt wäre, wieder öfter auf solche Leute zu hören. Die wissen zwar oft genug nicht, wieso und weshalb irgendetwas in den Büchern steht, aber ihr Geschmack irrt sich nicht.
Ich hab also Raymond Radiguets kleinen Roman "Den Teufel im Leib" gelesen. Der Autor hat von 1903 bis 1923 gelebt und in der Zeit von Dadaismus und anderem Trallala in "klassisch reiner Sprache eine der bezauberndsten Liebesgeschichten der Weltliteratur" geschrieben. Welche bezauberndsten Liebesgeschichten der Weltliteratur außer Romeo und Julia kennt man eigentlich?
Mir war Radiguet also völlig unbekannt und ein Genuss. Ich kann ihn weiterempfehlen.
Warum ich das nun aber hier so ausbreite, ist folgendes. Nach zwei Dritteln des Buches hat der Teenager (würde man heute sagen) die von einem Weltkriegssoldaten daheim gelassene junge Frau verführt und sich verführen lassen. Gerade überkommen ihn immer stärker werdende Zweifel an seiner und ihrer Liebe (und natürlich bildet er sich ein, so habe noch keiner geliebt), die doch nur Spielchen sind, da stellt er diese Betrachtung an, die mich verblüffte (und die ich aufbewahren möchte, da kommt mir die Rumpelkammer Piazza ganz recht):
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Wie die Biene Honig sammelt und den Stock bereichert - so bereichert ein Liebender seine Liebe um alle Begierden, die ihn unterwegs ankommen. Den Nutzen überläßt er seiner Geliebten. Ich hatte diese Disziplin, die den untreuen Naturen die Treue ermöglicht, noch nicht entdeckt. Wenn ein Mann eine Dirne begehrt und diese Glut der Frau zuwendet, die er liebt, so wird sein stärkeres, weil unerfülltes Verlangen diese Frau glauben machen, sie sei nie heftiger geliebt worden. Man hintergeht sie, aber vor den Leuten bleibt die Moral gewahrt. Mit solchen Berechnungen beginnt die Unzucht. Man verdamme daher nicht voreilig jene Männer, die ihre Gelibte während der Zeit ihrer innigsten Liebe betrügen; man klage sie nicht an, frivol zu sein. Ihnen widerstrebt solche Heuchelei, und sie denken nicht einmal daran, ihr Glück und ihr Vergnügen zu verwechseln. |
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Zumindest kann ich nun denjenigen, die mit einem süffisanten Lächeln "Appetit kann man sich überall holen, aber gegessen wird zu Hause." äußern, einen Gedanken entgegenhalten.
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