Piazza Forum » TV » Archiv: TV » Allgemeines » Interview mit BB-Psychologie Ulli » Hallo Gast [anmelden|registrieren]
Druckvorschau | An Freund senden | Thema zu Favoriten hinzufügen
Autor
Beitrag « Vorheriges Thema | Nächstes Thema »
stefanie
Mitglied

Dabei seit: 05.11.2001

Interview mit BB-Psychologie Ulli Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen       IP Information Zum Anfang der Seite springen

Fernsehen als Spielwiese

Nach «Deutschland sucht den Superstar», «Star Search» und «Fame Academy» ist mit «Music Star» auch in der Schweiz das Casting-Fieber ausgebrochen. Was zieht junge Menschen vor die Kameras?

• INTERVIEW:

«Bund»: Sie befassen sich mit Medien- und Castingpsychologie, Herr Schmitz. Weshalb wollen sich so viele Menschen im Fernsehen präsentieren? Um hoch hinaus zu kommen zum Beispiel?

Ulrich M. Schmitz: Nicht nur viele, sondern alle Menschen wollen hoch hinaus. Es kommt nur drauf an, welches «Stockwerk» für die einzelne Person als hoch gilt. Der Wunsch, im Mittelpunkt zu stehen, ist entwicklungspsychologische Durchgangsstation im Aufbau von Selbstachtung und Selbstwertgefühl. Das Fernsehen bildet hier die höchste Sogwirkung; man kann theoretisch mit einem kleinen Schritt zur grossen Berühmtheit werden. In jedem Fall sind es Menschen, die sich als Star fühlen und Pläne entwickeln, daraus eine grosse Show zu machen. Hintergrund für die peinlichen Auftritte bei Casting-Shows sind fehlende Selbstkritik und verschobene Selbstwahrnehmung.

Star könnte man auch auf der Theaterbühne werden. Weshalb das Medium Fernsehen?

Mit keinem Medium wachsen wir so vertraut auf und identifizieren uns so stark wie mit dem Fernsehen. Die schnell konsumierbare und ohne Anstrengung erlebbare Phantasiewelt des Fernsehens, in der immer eine Figur der Held ist, ist mit keinem sonstigen Medium zu vergleichen. So entsteht der Wunsch, auch einmal Teil dieses Ganzen zu sein. Bühne und Theater sind hingegen das, wo wir weg wollen: von der langen Ausbildung, der Suche nach einem Job, von einem begrenzten Anerkennungsspektrum.

Ist Casting eine neue Erscheinung? Oder drängten Jugendliche schon immer auf die Bühne?

Bühne heisst: spielen, sich austoben, alles ausprobieren können. Und vor allem eines: Applaus! Es gibt sonst keinen Platz mit einer solch starken, individuell zugeschnittenen Anerkennung, von der wir alle abhängig sind. Auf die Bühne drängten die Jugendlichen nie, wenngleich das Ausprobieren von Bühne sehr viele in der Schule durchlaufen haben. Schliesslich ist die Bühne auch Kulturbestandteil in unserer Welt und somit gesellschaftlich getragen. Das Fernsehen macht hier aus der schmalen Tür ein Scheunentor.

«Wir amüsieren uns zu Tode» heisst ein Klassiker des kürzlich verstorbenen Medienpsychologen Neil Postman. Er kritisiert die mangelnde Urteilskraft der Medienkonsumenten im Zeitalter der Unterhaltungsindustrie. Trifft das besonders auf Casting-Show-Teilnehmer zu?

Warum sollten junge Leute nicht mal was ausprobieren? Das Fernsehen kommt dem Wunsch entgegen, mal etwas auszuprobieren. Ich unterstelle den Bewerbern deshalb im Grossen und Ganzen normale Urteilsfähigkeit. Die Antriebsfeder des Berühmtwerdenwollens ist einfach besonders hoch.

Gibt es ein Persönlichkeitsprofil des Casting-Show-Teilnehmers?

Die Teilnehmer müssen Rückendeckung aus ihrem Umfeld und bei allem Selbstwertgefühl auch Realitätssinn haben. Sie dürfen Krisen nicht als Katastrophen sehen, sondern müssen flexibel bleiben und Hilfen wirklich nutzen können. Das Casting darf für die Bewerber nur eine Chance von mehreren sein.

Wie beschreiben und beurteilen Sie als Medienpsychologe das Phänomen, dass heute auf jedem Kanal eine Casting-Show läuft?

Ein Erfolg wird kopiert. Das ist so und wird auch immer so bleiben. Und es muss auch so sein: weil sich sonst ein Markt nicht erschliessen kann. Die Inflation wird dann durch die Nachfrage geregelt. Ich bin jedoch überzeugt, dass der Zuschauer nur begrenzt diese Real-life-Projekte verdauen kann.

Als Psychologe befassen Sie sich auch mit Problemen. Wenn ein Casting-Teilnehmer nicht über die geeignete Persönlichkeit verfügt, kann dann ein negativer Entscheid zu Krisen führen?

Ja. Die grösste Gefahr ist der persönliche Imageverlust. Wer zu stark abhängig ist, ist ungeeignet.

Zur Person

Ulrich M. Schmitz
Der Kölner Diplompsychologe Ulrich M. Schmitz hat die Teilnehmer aller vier «Big Brother»-Staffeln psychologisch betreut und ist heute bei der «Fame Academy» und der «Deutschen Stimme 2003» als Psychologe engagiert.

Quelle: ebund.ch

24.10.2003 08:09 Email an stefanie senden Homepage von stefanie Beiträge von stefanie suchen
 
Gehe zu:

Burning Board Lite 1.0.2 © 2001-2004 WoltLab GmbH
modified by Pete Carnell

Mit Urteil vom 12. Mai 1998 hat das Landgericht Hamburg entschieden, daß man durch die Ausbringung eines Links die Inhalte der gelinkten Seite ggf. mit zu verantworten hat. Dies kann, so das LG, nur dadurch verhindert werden, indem man sich ausdrücklich von diesen Inhalten distanziert. Für alle diese Links gilt, daß wir keinerlei Einfluß auf die Gestaltung und die Inhalte der gelinkten Seiten haben. Deshalb distanziert sich der Betreiber hiermit ausdrücklich von allen Inhalten aller gelinkten Seiten auf dieser Internetpräsenz und macht sich diese Inhalte nicht zu Eigen. Diese Erklärung gilt für alle auf dieser Internetpräsenz angezeigten Links und für alle Inhalte der Seiten, zu denen die hier aufgeführten Links führen.
Impressum